Deutschland wischt. Nach links oder rechts: In der derzeit bekanntesten Dating-App geht’s nach dem Prinzip „Hot or Not“. Aber kann man so wirklich die wahre Liebe finden? Ideengeberin Andrea Lindner hat’s ausprobiert.

Zeitungen lesen, Einkäufe erledigen, das Fitnesstraining organisieren – das alles lässt sich längst von unterwegs aus bequem mit dem Smartphone erledigen. Unser alltägliches Leben findet zunehmend online und mobil statt und – zugegeben – es macht auch vieles einfacher und bequemer. Warum also nicht auch die große Liebe online finden? Das ist die Geschäftsidee von sogenannten Dating-Apps. Mit deren Hilfe lässt sich der oder die Partnerin fürs Leben finden. Das behauptet zumindest die Werbung.

Also der Selbstversuch

Ich habe einen Freund, bin also glücklich vergeben, aber ich versuche unvoreingenommen an die Sache ran zu gehen. Dating-Apps gibt es mittlerweile wie Sand am Meer, die bekanntesten sind Lovoo, Tinder und Friendscout24. Die Verbreitung von Online-Dating ist enorm: Es gibt knapp 100 Millionen Mitgliedschaften bei Online-Dating-Portalen im deutschsprachigen Raum. Wirklich aktiv sind aber nur weniger als 10%, also rund 8,1 Millionen Nutzer. „Tinder ist für viele inzwischen der Einstieg ins Online-Dating. Wer früher noch gesagt hat: Sowas mache ich nicht, der probiert Tinder und traut sich danach vielleicht weiter“, erklärt Chris Pleines, Gründer des Online-Dating Vergleichs „zu-zweit.de“.

Beim Herunterladen von Tinder der erste Haken: Ich muss – um den Traumprinzen zu finden – einiges an persönlichen Daten preisgeben, beziehungsweise Tinder gestatten, diese Daten von meinem Facebook-Profil abzugreifen. Na schön. Was eh schon im Internet ist, kann ich eh nicht mehr zurückholen. Also Haken gesetzt. Dann noch die Handynummer bestätigen.

Wie erfolgreich ist Online-Dating?

Über 2 Millionen Nutzer hat Tinder in Deutschland, Tendenz: steigend. Friendscout24, seit Jahren Marktführer und mit 6 Millionen Nutzern immer noch weit vorne, erhält also einen starken Konkurrenten. Aber wie erfolgreich ist Online-Dating?
Hierzu hat das Marktforschungsinstitut Ipsos eine Studie veröffentlicht, die erst einmal verblüfft: Ist man auf der Suche nach einer festen Beziehung, liegen die Erfolgschancen bei rund 56 Prozent. Mehr als jeder zweite findet also, wenn er möchte, einen festen Partner über Apps und das Internet. Doch muss man unterscheiden zwischen Online-Partnervermittlungen, wie Elitepartner, e-darling, etc. und Dating-Apps.

Chris Pleines erklärt: „Diese Partnervermittlungsportale funktionieren anders: hier wird ein psychologisches Gespräch geführt und ein detailliertes Profil erstellt um einen passenden Partner zu finden.“ Bei Tinder und anderen Dating-Apps gehe es nicht derart in die Tiefe, so Pleines. „Auf Tinder die wahre Liebe finden ist eher schwierig. Dort ist die erste Intention sicher eher der kurzfristige, vielleicht auch erotische Kontakt.“ Gerade das sei eine der Stärken der App: schnelle Kontaktvermittlung.

Wie funktioniert’s?

Das Prinzip von Tinder, aber auch von den anderen Apps wie Lovoo und Co. ist einfach. Es werden anhand deines ermittelten Standortes andere App-Nutzer aus der Nähe vorgeschlagen. So hat man die Möglichkeit die Menschen aus der App gleich live zu treffen. Natürlich werden mir in der App nur Männer vorgeschlagen, weil die meiner auf Facebook angegebenen Geschlechterpräferenz entsprechen.

Auf dem Bildschirm wird mir als Nutzer ein Vorschaubild des potentiellen Traumpartners angezeigt. Finde ich das Bild ansprechend, wische ich das Bild nach rechts, ich like das Bild. Entspricht der Mann nicht meinen Vorstellungen, wische ich ihn nach links. So weit, so einfach. Dieser Vorgang, des Nach-Links-  oder Rechts-Wischens nennt sich „swypen“ und ist das Erfolgsmodell von Tinder, das auch zugegebenermaßen echt Spaß macht.

Wisch und weg?

Klingt alles oberflächlich? Ist es, bestätigt Chris Pleines: „Tinder ist sehr oberflächlich. Das ist der Nachteil der sehr einfachen Bedienung. Ein Bild nach links und rechts zu wischen, ist der einzige Berührungs- und Entscheidungspunkt.“ Aber zur Verteidigung von Tinder: Man kann sich, wenn man möchte, auch das Profil der anderen Nutzer ansehen. Also wenn mich eine Person interessiert, kann ich so weitere Fotos sehen und etwas über die Person lesen. Wenn mich das immer noch überzeugt, like ich den Typ.

Doch kann ich jetzt nicht gleich mit jedem chatten, den ich geliket habe, dazu müssen mich die werten Herren ihrerseits mit einem Haken als attraktiv bewerten. Dadurch entsteht ein sogenannter Match – ein Treffer. Gibt’s von beiden Seiten einen Like, kann der Chat losgehen.

Meine Erfahrung: Ich war mit dem Nach-Rechts-Wischen sehr sparsam. Aber nach über einer Stunde hat man dann schon mal 10-15 Likes vergeben. Mit dem Matchergebnis hatte ich aber nicht gerechnet: Mit beinahe allen kam ein Match zustande. Entweder bin ich also super attraktiv, oder aber alle Jungs liken erstmal provisorisch.

Wie läuft das bei den Jungs?

Ich erkundige mich im Freundeskreis. Jonas, 23, erklärt mir: „Ja schon, ich drücke lieber einmal zu viel auf grün, als zu wenig. Wenn der Match zustande kommt und ich das Mädel dann beim Chatten unsympathisch finde, kann ich es ja immer noch bleiben lassen.“

Da geht es mit dem gerade aufgebauten Selbstwertgefühl schnell wieder bergab, denn Tinder ist, so erklärt Chris Pleines, für viele eine Art Testplattform. „Manche jungen Leute wollen auch nur mal ihren Marktwert testen. Nach dem Motto: Wie viele Matches kriege ich?“

Fazit

Ich persönlich denke, die große Liebe findet man nicht – aber ich bin da vielleicht auch etwas altmodisch. Apps wie Tinder machen allerdings Spaß und sind ein super Zeitvertreib. Und vielleicht entsteht ja doch der ein oder andere Flirt. Oder ein interessantes Treffen.

Ungeduldige können damit sicher die Zeit bis zur Bekanntgabe des Bundessiegers bei unserem Wettbewerb überbrücken. Der „jugend creativ“-Wettbewerb ist nämlich gerade in der heißen Phase. Die Köpfe der Jurys rauchen. Die Entscheidung fällt ihnen natürlich, bei all euren kreativen Ideen, nicht leicht. Wir sind jedenfalls gespannt auf die Gewinner!

Text: Andrea Lindner