Mirko Drotschmann betreibt seit drei Jahren den Youtube-Kanal „MrWissen2go“. Mit seinen Clips über geschichtliche Themen und Prüfungsvorbereitung kommt er mitunter so gut an, dass Lehrer seine Videos im Unterricht verwenden. Gelernt ist eben gelernt: Im „wahren Leben“ arbeitet Mirko als Fernsehjournalist. Ideengeberin Claudia – derzeit in Israel – hat ihn über Skype interviewt.

Hier das zusammengefasste Protokoll des Gesprächs.

[16:02:30] Hallo Mirko, erste Frage: Kannst du dich noch erinnern, wann du selbst das erste Mal Youtube benutzt hast?

[16:04:50] Wenn ich das noch richtig im Kopf hab, war es im Rahmen meiner Arbeit. Ich hatte irgendein Musikvideo gesucht und bin durch Zufall auf Youtube gekommen. Das muss irgendwann Anfang 2006 gewesen sein.

[16:05:40] 2006 ist schon ziemlich lange her, da sah Youtube noch anders aus. Wann hast du dich dann entschieden, selbst einen Kanal zu starten?

[16:06:39] Ich hatte schon länger die Idee, auch mal bei Youtube aktiv zu werden, da ich die Plattform sehr spannend fand. Mir hat nur die zündende Idee gefehlt. Ernsthaft überlegt, selbst einen Kanal zu starten, hab ich Ende 2011.

[16:06:59] Und 2012 kam das erste Video. Warum hast du dich (überwiegend) für Bildungsthemen entschieden? Hast du die Schulzeit vermisst?

[16:09:05] Ich hab an die Schulzeit sehr viele schöne Erinnerungen. Aber damit hatte der Start meines Kanals eigentlich nichts zu tun. Ich wollte etwas machen, das zu mir passt. Und da ich weder besonders lustig bin, noch gut Computerspiele zocken oder Musik machen kann, lag es nahe, in den Bildungsbereich zu gehen.

[16:09:39] Die Videos machst du aber alleine, oder hilft jemand im Hintergrund?

[16:11:22] Ich mache alles allein – von der Vorbereitung bis zum Schnitt. Meistens schaut meine Frau vor der Veröffentlichung noch mal über die Videos, oder bei heiklen Themen zusätzlich ein Arbeitskollege.

[16:11:46] Wie viel Zeit steckst du pro Tag bzw. Woche da hinein?

[16:12:43] Pro Tag sind es im Schnitt zwei Stunden, die ich in die Betreuung des Kanals stecke. Dazu kommt pro Woche ein Video mit einem Aufwand von noch einmal ungefähr zehn Stunden. Das heißt, pro Woche sind es meistens etwas mehr als 20 Stunden.

[16:13:06] Das machst du alles neben deinem regulären Job? Kannst du mit Youtube schon Geld verdienen?

[16:14:15] Genau, das mache ich quasi nach Feierabend. Geld mit Youtube verdienen kann man auf jeden Fall. Ich bekomme eine Beteiligung an den Werbeeinnahmen, die Google macht. Das ist – gemessen an dem Aufwand, den man hat – aber nicht wirklich viel. Davon leben könnte ich nicht.

[16:14:49] Wie gehst du bei der Themenfindung vor, klassisches Brainstorming oder alles Input von deinen Abonnenten?

[16:16:31] Zu einem großen Teil ergeben sich die Themen tatsächlich aus den Vorschlägen der Zuschauer. Dazu schaue ich, was sich aus der Aktualität heraus ergeben könnte – zum Beispiel große Nachrichtenthemen wie der Ukraine-Konflikt oder die Krise in Griechenland – und oft mache ich auch etwas zu Themen, die mir persönlich am Herz liegen.

[16:17:04] Gab es ein Video, das zu deiner Überraschung besonders gut bzw. überhaupt nicht gut lief?

[16:19:09] Richtig überrascht hat mich generell, wie viele Leute sich meine Geschichtsvideos anschauen. Hätte ich beim Drehen schon gewusst, dass später mal hunderttausende Leute auf diese Videos klicken werden, hätte ich mich wahrscheinlich ein bisschen sorgsamer angezogen. 🙂 Inzwischen kenne ich die Vorlieben der Zuschauer ganz gut und weiß meistens vorab schon, dass bestimmte Themen weniger gut ankommen als andere. Wenn ich ein Thema persönlich wichtig finde, mache ich aber trotzdem etwas dazu. Es geht ja nicht nur um Klicks.

[16:21:32] Langsam kannst du wahrscheinlich alle Geschichtslehrpläne der Republik auswendig…

[16:22:36] Zum Glück nicht. Aber ich habe mir tatsächlich alle Lehrpläne der verschiedenen Bundesländer angeschaut, bevor ich mit meinem Kanal gestartet bin. Die Themen, die die meisten Überschneidungen hatten, bin ich dann zuerst angegangen.

[16:22:03] Bekommst du auch Rückmeldungen von Lehrern?

[16:23:14] Ja, die bekomme ich. Fast jede Woche schreiben mir Lehrer, dass sie meine Videos im Unterricht zeigen – da fühle ich mich dann besonders geehrt.

[16:24:22] Welches Thema fandest du besonders spannend oder schwierig?

[16:26:28] Besonders spannend fand ich aber zum Beispiel die Arbeit an meinem Video zum Thema ‚Propaganda in Disney-Filmen‘. Das hat mich selbst total interessiert. Besonders schwierig und kontrovers war das Thema ‚Zoophilie‘. Da wusste ich schon vorher, dass das Video sehr umstritten sein wird, aber ich wollte unbedingt etwas zu diesem Thema machen. Wann hat man schon die Möglichkeit, die Ansichten von jemandem zu hören, der selbst zoophil ist? Ich hatte lange gezögert, bis ich das Interview mit der Person gemacht habe – aber irgendwann dachte ich: Warum eigentlich nicht?

[16:26:57] Es ist auch eins deiner meistgeklickten Videos.

[16:27:40] Das stimmt. Allerdings sehe ich in den Statistiken, dass nur sehr wenige sich das Video wirklich anschauen. Die Meisten, die darauf kommen, erwarten wohl einen etwas anderen Inhalt…

[16:28:17] Würdest du deine Videos gern hauptberuflich machen, wenn ausreichend Interesse da wäre seitens der Abonnenten?

[16:29:22] Nein, das habe ich nicht vor. Mein Job als Journalist macht mir viel zu viel Spaß. Außerdem ist mir zu unsicher, nur von Youtube zu leben. Google könnte von jetzt auf nachher die Werbebeteiligung einstellen, oder niemand möchte mehr meine Videos sehen. Das könnte ganz schön nach hinten losgehen.

[16:30:55] Du arbeitest für eine Kindersendung beim ZDF, richtig?

[16:32:02] Unter anderem, ja. Ich bin als Reporter für die Kindernachrichtensendung „logo!“ unterwegs. Außerdem produziere ich momentan eine kleine Serie zu geschichtlichen Themen für das MDR Fernsehen und arbeite als Autor für verschiedene Radiosender.

[16:33:06] Was halten deine Kollegen von deinem Ausflug in die überwiegend junge und von DIY-geprägte Youtube-Szene?

[16:34:01] Die finden das spannend. Noch vor ein, zwei Jahren war es nicht immer so einfach, den Kollegen aus den konventionellen Medien zu vermitteln, dass Youtube auch aus Medienmacher-Sicht interessant ist. Inzwischen hat sich das aber geändert.

[16:34:15] Oder anders gefragt: Du produzierst für Fernsehen und Youtube gleichermaßen. Was kann das deutsche TV von Youtube lernen?

[16:36:49] Eine spannende Frage, dazu habe ich neulich an der Uni Mainz auch einen Vortrag halten dürfen. Ich finde, Youtube hat inhaltlich in Sachen Authentizität, Zuschauerbindung, Einfachheit und Zielgruppenansprache dem Fernsehen oft einiges voraus. Auch technisch gibt es einige Vorteile. Auf der anderen Seite kann Youtube auch viel vom Fernsehen lernen – zum Beispiel, wie man längerfristige und ‚tiefere‘ Inhalte produziert, die nicht nur für den Moment, sondern für einen längeren Zeitraum interessant sind.

[16:39:42] Hast du auf Youtube auch Vorbilder?

[16:40:24] Auf jeden Fall. Ich finde zum Beispiel Michael von VSauce super – wenn er etwas erzählt, muss man einfach zuhören. Inhaltlich mag ich außerdem Crash Course sehr gerne. Das sind tolle Vorbilder, an denen ich versuche, mich zu orientieren.

[16:44:20] Ende letzten Jahres war der Ausstieg großer Youtuber wie unge und LeFloid ein Thema. Was hältst du von solchen Netzwerken wie Mediakraft? Gut, schlecht, kommt drauf an?

[16:46:42] Wenn Netzwerke das tun, was sie den Youtubern versprechen, finde ich das super: Technischen Support bieten, Hilfe bei Crosspromotion, Management-Aufgaben, Pressearbeit oder auch Vermarktung. Offenbar hat das in der Vergangenheit aber nicht immer so gut funktioniert. Ich denke, die Netzwerke in Deutschland haben inzwischen erkannt, dass es nicht nur darum geht, auf Masse zu setzen, sondern dass man seine Künstler nicht aus dem Blick verlieren sollte. Ich persönlich mag es sehr gerne, unabhängig zu sein. Das ist für mich auch aus journalistischer Sicht sinnvoll.

[16:47:51] Okay, damit sind wir so gut wie durch, letzte Frage. Was sagen eigentlich deine Eltern dazu? Haben die deine Videos schon mal angeguckt?

[16:49:19] Meine Mutter schaut fast jedes meiner Videos – und kommentiert auch manchmal. Das find ich cool. Mein Vater ist nicht so der Computer-Mensch, aber auch er schaut ab und zu mal vorbei. Da ich inzwischen etwas weiter von meinen Eltern entfernt wohne, nutzen sie die Gelegenheit auch, um ihren Sohn mal wieder zu Gesicht zu bekommen.

[16:49:54] Witzig!

[16:50:39] Ja, meine Mutter ist ziemlich modern, was das angeht. 😀

[16:52:09] Danke fürs Interview und noch einen schönen Abend!

[16:52:19] Gerne. Dir natürlich auch, danke!

Hier geht’s zum Youtube-Kanal von MrWissen2Go: https://www.youtube.com/user/MrWissen2go

Text: Claudia Flach, 24 Jahre

Foto: Moritz Leick