Unsere Freundschaft wurde noch mal inniger, als die ersten Handys unter dem Weihnachtsbaum lagen und Lor und ich uns austauschen konnten, wann immer wir wollten. Es gibt bis heute niemanden, der mich so gut kennt, wie sie – und umgekehrt. Dabei sind wir sehr verschieden. Sie ist eher raubeinig und unsentimental, ich möchte über meine Gefühle reden. Sie ist eine sehr gute Schülerin, der alles einfach in den Schoß fällt, ich bin eine gute Schülerin, die sich dafür aber ganz schön ins Zeug legen muss. Lor kann stundenlang Musikvideos anschauen, ich kann stundenlang Musik selber machen. Lor frisst Bücher regelrecht in sich hinein, ich hingegen brauche eine ganze Zeit lang, ehe ich ein Buch zu Ende gebracht habe. Lor und ich teilen auch keine gemeinsamen Hobbys. Aber trotzdem sind wir uns immer nah und können uns einhundert Prozent aufeinander verlassen.
Es gab zum Beispiel eine Zeit in meinem Leben, in der ich sehr mit Neid und täglichen Gemeinheiten zu kämpfen hatte. Lor war damals zu jeder Tages- und Nachtzeit für mich da. Sie war mein Fels in der Brandung und hat mich immer aufgefangen und wieder aufgebaut. Umgekehrt habe ich mich wie ein Löwe vor sie geschmissen, wenn auf dem Spielplatz wieder einmal irgendein Tölpel abfällige Bemerkungen über ihr asiatisches Äußeres machte. Und ich würde es auch heute jederzeit wieder tun!
Es gab sicher schon viele Momente, in denen unsere Freundschaft geprüft wurde, doch wir haben bisher alle Hürden genommen. Lor und ich, das ist eine Einheit und so wird es auch immer bleiben, da bin ich mir ganz sicher. So träumen wir bereits jetzt schon davon, eines Tages zusammen weite Reisen zu machen und vielleicht in derselben Stadt zu studieren und eine Wohnung zu teilen. Menschen kommen und gehen, aber wahre Freunde bleiben.