Freundschaft kennt keine Grenzen – so können sich auch zwei Menschen mit unterschiedlichen Religionen sehr nahe stehen. Ideengeberin Lou hat sich mit Lara und Sabrin über ihre interreligiöse Freundschaft unterhalten, in der sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede gleichermaßen akzeptiert werden.

 

Ein etwas anderes Kennenlernen

Während Sabrin und Lara auf dem Bett sitzen und Brownies essen, erinnern sie sich an den Beginn ihrer Freundschaft: Einige Zeit fuhren sie jeden Morgen mit demselben Bus und haben dabei nie ein Wort miteinander gewechselt, erzählen sie. Erst durch einen Ex-Freund lernten sich die beiden bei einem Videodreh kennen. „Ich mochte dich zu Anfang überhaupt nicht“, sagt Lara zu Sabrin. Ihr damaliger Freund beichtete ihr nämlich, dass er früher Gefühle für Sabrin hegte. Sabrin hingegen war ganz angetan von Lara: „Ich fand dich total süß!“ Lara ist evangelisch aufgewachsen – Sabrin ist in einer muslimischen Familie groß geworden.

Gespräche über das erste Mal, Beziehungen und Hochzeiten brachten die unterschiedlichen Glaubensrichtungen der beiden Freundinnen ans Licht. So wünscht sich Sabrin einen muslimischen Partner, Lara ist es egal, welche Religion ihr Partner hat oder ob er überhaupt gläubig ist. Stundenlange Spaziergänge, in denen man sich austauschte und dazulernte, folgten. „Ich fand diesen Aspekt, dass wir uns so offen darüber unterhalten konnten und keine Angst haben mussten, dass der andere einen vielleicht nicht versteht, einfach besonders“, beschreibt Sabrin ihr gegenseitiges Kennenlernen und meint weiter: „Nicht jeder ist so tolerant und interessiert wie Lara.“

Besser als jeder Religionsunterricht

Die beiden haben nicht nur viel über die Religion der anderen gelernt, sondern auch viel über sich selbst. „Ich kann verstehen, dass man begeistert von einer Religion ist, aber bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns besser kennenlernten, konnte ich nicht nachvollziehen, wie man so enthusiastisch in Fragen des Glaubens sein kann“, erinnert sich Lara. Die Vorurteile dem Islam gegenüber waren plötzlich für sie alle nichtig. „Sabrin ist schon als Kind gerne in die Moschee gegangen. Bei uns war der Konfirmandenunterricht eher eine Qual“, sagt sie.

Gott verbindet – trotz der Unterschiede

Auf die Frage, welche Gemeinsamkeiten die beiden bei ihren Religionen sehen, antworten beide gleichzeitig: „Wir haben EINEN Gott.“ Lara fügt hinzu: „Vom Grundsatz her ist eigentlich alles gleich aufgebaut, nur die verschiedenen Geschichten drum herum unterscheiden sich.“ Lara hat im Religionsunterricht in der siebten Klasse einmal einen Ausschnitt aus dem Koran mit einem Bibelausschnitt verglichen und stellte fest: „Die Geschichten sind sehr unterschiedlich, aber die Aussagen dahinter sind praktisch identisch.“

Streit gab es zwischen den beiden Freundinnen aufgrund ihres unterschiedlichen Glaubens nie. „Schwierig finde ich nichts an den Unterschieden, weil ich ein Mensch bin, der gut respektieren kann und immer versucht, alles zu verstehen“, erklärt Lara. „Ich finde es interessant, dass es im Islam alles sehr viel festgesetzter ist. Entweder man glaubt oder man glaubt nicht. Und bei uns kann man sich das viel mehr formen und die Bibel auch sehr metaphorisch betrachten.“ Sabrin stimmt ihr zu – es sei einer der größten Unterschiede zwischen den beiden.

Freunde fürs Leben

„Von der Familie und von Verwandten hört man auch Schlechtes. Sie sagen `Halt dich bloß von den Christen fern, die bringen dich auf eine andere Schiene!´“, erzählt Sabrin. „Im Endeffekt ist es aber alles dasselbe.“, entgegnet Lara. Sabrin: „Ich bin dankbar, dass ich auch die Chance habe, das so zu sehen. Meine Eltern respektieren Lara und mögen sie sehr.“ Auch Laras Eltern hatten nie ein Problem mit der Freundschaft der beiden. „Meine Eltern haben mich auch noch nie gefragt, ob eine Freundin die ich mit nach Hause bringe Christin oder Jüdin ist“, erzählt sie.

„Wir waren einmal bei den Kinderbibeltagen und haben den Kindern beim singen zugesehen. Das, was ich dort erlebt habe, fand ich sehr schön und würde gerne, wenn ich könnte, freiwillig mithelfen“, berichtet Sabrin lächelnd. Festtage, wie beispielsweise Weihnachten oder das Zuckerfest, haben die beiden zwar bisher noch nicht miteinander verbracht, können sich aber gut vorstellen, das in Zukunft mal zu tun. „Du wolltest mal mit mir in die Moschee gehen“, erinnert sich Lara. „Ja, das machen wir auch noch“, antwortet Sabrin und meint: „Bei einer anderen Freundschaft würde ich dasselbe erwarten. Dadurch, dass ich an etwas anderes glaube als du, ändert sich nichts.“

Text: Lou A. Godvliet

Lou Godvliet

Lou, 20 Jahre, studiert Politik und Publizistik