Geschichtsbücher, eingestaubte Museen, schleppend erzählte Anekdoten auf Omas 80. Geburtstag – die Vergangenheit ist nicht immer so spannend und anschaulich aufbereitet wie sie sein könnte. Anders verhält es sich mit Denkmälern. Sie vereinen Information und Kunst – einen Blick sind sie daher stets wert. Ideengeberin Lara hat sich die verschiedenen Arten der Erinnerung angeschaut und vor allem im US-Gedenkort Ground Zero wiedergefunden.

Denkmäler erfüllen verschiedene Funktionen, die über den ästhetischen Aspekt hinausgehen. Denkmäler können einen Menschen, beispielsweise ein Staatsoberhaupt oder einen Landeshelden, ehren. Viele Denkmäler – insbesondere in Deutschland – machen jedoch auch das Gegenteil und stehen mahnend auf öffentlichen Plätzen. Sie erinnern an die gefallenen Soldaten und zivilen Opfern der Kriege, an denen Deutschland beteiligt waren.

Denkmäler erregen die Aufmerksamkeit, die einem Geschichtsbuch oft fehlt. Sie können ganze Geschichten, historische Momente und Tragödien in einem Bild darstellen, klären die Nachwelt über diese auf und sind ein künstlerisch verpackter Appell. Sie sollen daran erinnern, dass auf dieser Welt Dinge geschehen sind, die sich nicht wiederholen dürfen, wie  zum Beispiel das Holocaust-Mahnmal im Zentrum Berlins. Das von Architekt Peter Eisenman entworfene Labyrinth aus grauen Stelen wirkt beklemmend, ohne Worte zu.

Von Trauer und Stolz, von Opfern und Helden

Kein Mahnmal jedoch vereint für mich Trauer und Stolz, Opfer und Helden und die Geschichte eines ganzen Landes besser als der Ground Zero im Finanzdistrikt New Yorks. Hier ist der 11. September 2001 (auch Nine-Eleven genannt) nicht nur in die nordamerikanische, sondern auch in die globale Geschichte als der Tag eingegangen, an dem die „unverwundbaren“ Vereinigten Staaten von Amerika im eigenen Land durch einen Terroranschlag getroffen wurden. Schon kurz nach der Tragödie wurde das Trümmerfeld des zerstörten World Trade Centers zur Gedenkstätte für die Angehörigen der knapp 3000 Opfer.

Heute ist der Ground Zero ein Beispiel für die vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen, die Denkmäler annehmen können. So liegen am Ort des Anschlags noch heute Trauer und Schwere, doch auch Hoffnung und Stolz in der Luft. Auch als Deutsche packt mich persönlich die Stimmung des Ground Zeros und lässt sie auch Stunden nach Verlassen des Ground Zero nicht los. Auch fernab von New York wird Nine-Eleven in Gesprächen mit Amerikanern immer wieder zum Thema. Jeder Amerikaner weiß noch, was er in genau der Minute gemacht hat, als die Nachricht die USA erschütterte.

Hundert Gefühle am Ground Zero

Der Architekt Daniel Libeskind, der den Entwurf zum Ort nationaler Trauer beisteuerte, musste also das Unmögliche möglich machen: die geballten Emotionen einer ganzen Nation in eine Form bringen. An den ehemaligen zwei Standorten der Twin Towers, die durch zwei Flugzeuge zerstört wurden, sind dunkle quadratische Becken eingelassen, in denen unablässig Wasser in die Tiefe stürzt. Die Namen der Opfer sind am Beckenrand eingraviert. Als ich in New York war, hab ich dort oft niedergelegte Blumen, nachdenkliche Soldaten und betende Menschen gesehen. Niemand käme auf die Idee laut zu sprechen, die eben noch empfundene Euphorie über den Besuch in der Metropole New York City scheint mit dem Wasser ins Nichts zu stürzen. Trauer ist vorprogrammiert. Neben dieser recht düsteren Szenerie ragt jedoch der One World Tower wie die Versinnbildlichung von Kraft und Hoffnung in den Himmel. Das Gebäude symbolisiert mit seinen 1776 Fuß (541 Metern) Höhe – die Zahl eine Referenz auf das Jahr der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 – den Stolz der Überwindung der Tragödie und die Hoffnung für die Zukunft des Landes. Und so wie das Mahnmal die Niedergeschlagenheit zum vorherrschenden Gefühl werden lässt, flößt der One World Tower jedem Besucher die Hoffnung ein, die man kurz vermisst hat.

Nachdem das Baukonzept für das Vorzeigegebäude oft umgeworfen wurde, wurde der Tower nun bereits bezogen. Ein dazugehöriges Museum hat 2014 seine Pforten geöffnet. Auch Licht gehört zum künstlerischen Medium des Gedenkens: das „Tribute of Light“, zwei Lichtsäulen, waren bis 2011 stets Teil der Gedenkzeremonie zum Jahrestag des terroristischen Anschlags. Gepaart mit feierlichen Reden wird so am Ground Zero täglich, jedoch besonders am 11. September durch verschiedenste ästhetische Elemente getrauert, erinnert und gemahnt. Hier vermag es Kunst, mit Emotionen zu jonglieren und ein Verständnis zu schaffen, das auch gefühlt 1000 gelesene Zeitungsartikel und gesehene Reportagen nicht leisten können.

Keine Tragödie ohne Helden

Ein Wort fällt an diesem Tag oft: Heroes. Helden waren vor allem die 411 Helfer, die bei den Bergungsarbeiten zu Tode kamen. Doch auch jeder andere Helfer, jede Organisation, die Geld sammelte und jeder Künstler, der ein Lied, ein Buch oder einen Film rund um Nine-Eleven beisteuerte, wird durch Ground Zero zum Helden ernannt. So sind Helden nicht immer muskulöse Männer mit einem „S“ auf der Brust. Helden können Feuerwehrmänner, Sanitäter, Soldaten oder Freiwillige sein – es kommt nur auf den Blickwinkel an.

So lässt der Begriff alle Freiheit offen, die ein kreativer Kopf braucht. Und genau diese Kreativität ist nun von euch bei unserem Wettbewerb gefragt. Wer ist für dich ein Held? Wer inspiriert dich? Denk mal drüber nach!

Text: Lara Gahlow