Ins Bett legen und warten, welchen Film der müde Kopf diese Nacht abspielt? Das geht auch anders: luzide Träumer wissen, dass sie nichts Reales erleben und können steuern, wohin der Traum sie führt. Ob ihr das lernen könnt und wofür solche Klarträume nützlich sind, lest ihr hier.

von Julia Weise

Ihr rennt. Der Atem geht schnell. Das Herz schlägt so laut, wie das Knacken der Äste unter euren Füßen. Irgendwer ist hinter euch. Verstecken? Zwecklos. Ihr rennt weiter. Die dunkle Gestalt kommt näher.

Uuuund cut! Ist doch nur ein Traum. Also haltet ihr an und dreht euch um. Mal sehen, wer diesen Halbmarathon auf sich genommen hat. Nach ein paar Schritten erkennt ihr das Gesicht eures Verfolgers: Mama! Ihr seid schon wieder ohne Schlüssel aus dem Haus gegangen.

Der Traum als Erlebnis

Wer das luzide Träumen beherrscht, kann seinen Alpträumen eine solche Wendung geben. Oder sich direkt beim Einschlafen in eine beliebige Traumwelt katapultieren. Luzides Träumen bedeutet, dass sich jemand schon im Traum bewusst ist, dass er träumt. Dabei ist man in einer Art Zwischenstadium zwischen Schlafen und Wachen. Wer normal träumt, befindet sich nur im Hier und Jetzt seines Traums. In einem Klartraum kann man reflektieren und über die eben geträumte Situation nachdenken. Einigen fällt genau dann auf, dass sie träumen. In den falschen Bus gestiegen und statt auf Klassenfahrt in einen Rentnerurlaub gefahren? Stimmt doch gar nicht. Schnell das Drehbuch ändern!

In luziden Träumen kann man sich auf eine bestimmte Sache konzentrieren, während man in normalen Träumen von Situation zu Situation springt. Forscher haben herausgefunden, dass in Klarträumen die verschiedenen Teile des Gehirns besser miteinander vernetzt sind. Beim normalen Traum ist es etwa wie zur Mittagspause in der Schule: da reden alle durcheinander und es ist schwer in dem Brei an Gesprächen durchzublicken. Der luzide Traum ist konzentrierter, wie eine Gruppenarbeit im Unterricht – da ist es viel leiser, weil nur bestimmte Leute miteinander sprechen.

Anleitung zum bewussten Träumen

Ihr wollt auch eure Träume steuern können? Tatsächlich kann man das lernen. Eine Technik ist etwa sich beim Einschlafen immer wieder zu fragen: Wache ich oder träume ich? Das soll das Bewusstsein schärfen. Außerdem solltet ihr euch entspannen, wenn ihr luzide träumen wollt. Seid ihr eingeschlafen, lohnt es sich einen Realitätscheck zu machen: Könnt ihr mit (im Traum) zugehaltener Nase noch weiteratmen? Ändern Uhren ihre Zeit, nachdem ihr sie angeschaut habt?

Eine perfekte Anleitung zum luziden Träumen gibt es jedoch nicht. Außerdem sind diese Träume sehr störanfällig, das heißt, es kann passieren, dass ihr in eurem Traum schnell wieder die Regie abgebt. Das luzide Träumen konnten amerikanische Forscher erst Anfang der 1980er Jahre nachweisen. Es wurde also noch nicht so viel geforscht zu diesem Thema. Auch die Umfragen zum Thema unterscheiden sich stark: laut einer österreichischen Studie erinnern sich 26 Prozent der Befragten an einen luziden Traum. Eine amerikanische Studie kommt auf 56 Prozent und unter Studenten erinnern sich meist mehr als 70 Prozent an einen luziden Traum.

Was bringen die luziden Träume eigentlich? Sie können dabei helfen Alpträume zu bekämpfen. Wer bewusst träumt, kann den Alptraum anhalten, in dem er oder sie zum Beispiel auf die Horrorgestalt aus dem Traum zugeht. Auch für Sportler sind Klarträume nützlich: Sie können Bewegungsabläufe wie den Golf-Abschlag oder den Anlauf beim Hochsprung sprichwörtlich im Schlaf lernen. Lernen im Schlaf! Wie wär‘s: Bevor ihr im nächsten Traum in den Urlaub fahrt, setzt euch doch einfach nochmal in die letzte Mathe-Stunde…