Herbert düst, sein Laufrad läuft heiß. Taps, Taps, Taps von Sprosse zu Sprosse – die kurzen Beinchen fliegen im Sekundentakt. Als ich das beige Fellknäuel so ansehe, weiß ich genau, wie es sich fühlt: Entspannt geht anders. Findet auch mein Hamster Herbert, denn er verlangsamt, bleibt schließlich stehen. Ganz anders funktioniert mein Hamsterrad: Das dreht sich 24 Stunden, an sieben Tagen in der Woche. Lernen, zwei Nebenjobs, freiwilliges Engagement, Sportkurse – der Alltag ist hektisch, keine Frage! Und sowieso: „Ist gerade ziemlich stressig“, scheint zum Grundgefühl meines Lebens geworden zu sein.

Je mehr ich renne, je schneller ich werde, desto weniger Zeit scheint mir zu bleiben. „Hey busy bee“ (auf Deutsch wesentlich uncooler klingend: Arbeitsbiene), texten meine Freunde via Whatsapp, „wann hast du denn mal wieder Zeit für Sushi in Mitte?“. Keine Ahnung – und das ist leider wahr. Mein Timer ist voller Einträge, Markierungen und Post-It’s. Die nächsten Wochen sind straff durchgeplant, Spontanität hat da kaum Platz. Die Suche nach möglichen Lücken muss warten, denn jetzt krame ich im Küchenschrank nach Entspannungstee. „Gönnen Sie sich eine Auszeit vom Stress: Die mild-frisch schmeckende Komposition versetzt einen auf eine ruhige Sommerwiese in Südfrankreich“, verspricht der Verpackungsaufdruck. Also los, Versuch macht bekanntlich klug.

Beziehungsstatus: Es ist kompliziert mit dem Internet

Der Stress kam mit dem Erwachsen werden. Mit dem Alter kamen Laptop, Handy und Apps. Der Zusammenhang scheint klar. Dennoch kann ich auf die mobilen Allzweckwaffen längst nicht mehr verzichten: Morgen für Morgen fällt mein erster Blick aufs iPhone. Ich schalte den Wecker aus, checke Mails, scrolle durch soziale Netzwerke. In der U-Bahn lese ich gängige Nachrichtenseiten. Ob anschließend in der Uni oder im Büro: Mehrere Stunden tippe ich am Laptop oder starre auf den PC. Es gibt Sonntagabende, da sitze ich vor dem Fernseher, das Tablet im Schoß, das Handy neben mir. Berieseln lassen war gestern. Social TV ist derzeit schwer angesagt, schließlich soll ja auch jeder wissen, was man zum neusten „Tatort“ zu sagen hat.

Gewiss, der technische Fortschritt spart Zeit. Nur: Wo bleiben die angesammelten Stunden, Minuten, Sekunden? Wir müssten doch Unmengen davon haben. Ich habe sie nicht. Jeder, der ein Smartphone besitzt, weiß: Mal nicht aufs mobile Gerät zu schauen, das fällt schwer. Hat man anfangs mehr Zeit, weil man Nachrichten direkt unterwegs bearbeiten kann, schreibt man irgendwann unverhältnismäßig viel mehr und hat die gewonnene Zeit sogleich wieder verloren.

Immer online, nie mehr allein

Der wohl größte Zeitfresser ist das Internet. 169 Minuten ist ein Onliner in Deutschland täglich im Schnitt im World Wide Web unterwegs – so ein Ergebnis der ARD/ZDF-Onlinestudie 2013. Bei den 14- bis 29-Jährigen ist die Nutzungsdauer sogar noch etwas höher: Sie liegt bei 218 Minuten pro Tag. Wenig verwunderlich ist, dass fast die Hälfte davon auf Aktivitäten in sozialen Netzwerken entfällt.  Allein die Nutzung von Facebook macht 37 Prozent unserer Internetzeit aus. Zugegeben: Wenn ich eine Weile nicht aufs Handy schaue, zeigt es im Sperrbildschirm viele bunte Symbole an. Zu intuitiv, zu verlockend ist die Neugier, wer da jetzt wohl was zu sagen, wer was gepostet, geliked und kommentiert hat. Zu groß ist die Angst, etwas zu verpassen. Könnte ja wichtig sein! Und auch während im Topf mein Teewasser erhitzt, linse ich aufs iPhone. Sekunden nutzen, ja nichts verpassen.

Dass eine intensive Nutzung sozialer Netzwerke den Stress ziemlich nach oben treiben kann, das bestätigt eine Untersuchung von Psychologen der Universität Bamberg. Demnach nimmt mit steigender Zahl von Kontakten die Zahl der Fälle linear zu, in denen man einer „sozialen Erwartungshaltung“ ausgesetzt ist. Ich schlussfolgere: Das Grundübel ist also nicht die Beschleunigung per se, sondern das Wettbewerbsprinzip, das die Beschleunigung antreibt und in nahezu alle Bereiche unseres Lebens eingesickert ist. Immer im Hinterkopf: Die Konkurrenz schläft nicht. Nahezu omnipräsent ist das Gefühl, besser als andere sein zu müssen oder zumindest genauso gut. Ständig – ob bewusst oder unbewusst – ziehen wir Vergleiche: Wer hat das tollste Hobby? Wer futtert am schönsten? Wer hat die größte Turnschuh-Sammlung? Wer am Strand den knackigsten Popo? Mehr erleben, mehr arbeiten, mehr besitzen – das stresst.

Weniger Bildschirm, mehr Sinn

Schluss damit! Wir sollten lernen, Zeit besser zu nutzen. Heißt konkret: Nicht jede Mail muss sofort gelesen und beantwortet werden, nicht jedes Erlebnis sofort geteilt werden. Das Leben läuft auch ohne ständiges Status-Update. Man sollte sich selbst nicht so wichtig nehmen – gleiches gilt natürlich auch für „die anderen“. Wer nie abschaltet, ist dauernd unter Strom, vergisst Wichtiges und verlernt, normale Dinge richtig zu genießen. Entschleunigen ist gar nicht so schwer, probiert’s mal aus:

1. Push-Nachrichten abstellen. Nicht vor dem Frühstück auf die mobilen Geräte schauen.

2. Mut haben, Termine auch mal abzusagen und sich stattdessen selbst „Ich-Zeit“ gönnen.

3. Ein Hobby suchen, das ganz ohne Wifi oder Stromversorgung funktioniert.

4. Rausgehen, durch die Stadt streifen. Den mobilen Technikkrams in der Wohnung lassen.

5. Einfach mal Innehalten, bewusst genießen und das Vergleichen sein lassen.

6. Tee trinken.

Immer mobil, immer online – der Wettbewerb läuft!

Stresst euch die virtuelle Welt auch? Und wie stellt ihr euch die Zukunft der Fortbewegung vor? Die Volksbanken und Raiffeisenbanken suchen eure Ideen, Bilder und Kurzfilme zum Thema „Immer mobil, immer online: Was bewegt dich?“. Teilnehmen können Schülerinnen und Schüler der 1. bis 13. Klasse sowie Jugendliche, die nicht mehr zur Schule gehen, bis 20 Jahre in drei Disziplinen: Bildgestaltung (Klassen 1 bis 13), Kurzfilm (Klassen 5 bis 13) und Quiz (Klassen 1 bis 9). Das Beste: Auf Orts-, Landes- und Bundesebene könnt ihr tolle Sach- und Geldpreise abräumen! Mehr Informationen zum aktuellen Wettbewerb gibt es hier.

Text: Anne Juliane Wirth