In der 50. Runde des Internationalen Jugendwettbewerbs „jugend creativ“ wollen wir von euch wissen, was Glück für euch bedeutet. Wir sind bereits sehr auf eure kreativen Ideen dazu gespannt. Eine der vielen Bedeutungen des Wortes „Glück“ wollen wir heute mit der Glücksforscherin Maike van den Boom besprechen. Sie ist Bestsellerautorin des Buches „Wo geht’s denn hier zum Glück?“ und Expertin für „Glück.“ Sie erzählt in diesem Interview, was glücklich macht und gibt Tipps für Lehrerinnen und Lehrer sowie Kinder und Jugendliche für ein klein wenig mehr Glück im Leben. Los geht´s!

jc: Liebe Maike, vielen Dank, dass du dir als Unterstützerin des Wettbewerbs „jugend creativ“ Zeit genommen hast. Du bist Glücksforscherin, also Expertin für das Thema Glück. Wie bist du dazu gekommen?

Maike: Ich habe 13 Jahre in den Niederlanden und beinahe 3 Jahre in Mexiko gewohnt. Das sind beides glückliche Länder. Obwohl die Mexikaner in einem sehr armen und korrupten Land nicht wirklich viel zu lachen haben, tun sie es trotzdem. Dahingegen gibt es in Deutschland nicht so viel zu meckern. Wir tun es trotzdem und sind folglich nicht die allerglücklichsten Menschen. Ich wollte wissen, warum das so ist. Deshalb bin ich in die glücklichsten Länder der Erde gereist, um Menschen vor Ort zu fragen, was sie so glücklich macht.

jc: Ich bin neugierig. Was sind das für Faktoren?

Maike: Dazu gehört vor allem die Erkenntnis, dass wir unser Glück selbst beeinflussen können. Gut, nicht jedes Unglück ist vermeidbar. Doch wir können selbst entscheiden, was wir daraus machen und wie wir durch das Leben gehen. Zum Beispiel mit Neugier und dem Mut „einfach mal was auszuprobieren.“ Wie hat Pippi Langstrumpf immer gesagt: „Das hab ich noch nie gemacht, also bin ich völlig sicher, dass ich das schaffe!“

jc: Viele Kinder und Erwachsene haben Angst genau das zu tun. Vermutlich, weil sie befürchten etwas falsch zu machen?

Maike: Das ist leider richtig. Dabei kann es sogar glücklich machen, wenn man Fehler macht!

jc: Das klingt jetzt komisch. Wie soll das denn gehen?

Maike: Wichtiger als ein richtiges oder falsches Ergebnis ist, dass wir gewagt haben etwas Neues auszuprobieren und uns zu bewegen. Ein Fehler bedeutet immer die Möglichkeit, etwas verbessern zu können und zu lernen. Dann wird in unserem Gehirn das sogenannte Belohnungssystem angeknipst. Schon steigt das Glücksgefühl! Dazu muss man Fehler aber erst mal machen dürfen. Da sind die Skandinavier den Deutschen ein ganzes Stück voraus. Sie sehen Fehler einfach als eine Abweichung. Sie sind in dieser Sache etwas naiver, vielleicht könnte man auch sagen sie sind „kindlicher.“

Einfach mal was riskieren. Skandinavier lieben Arschbomben.

jc: Kindlicher? Können wir also alle etwas von Kindern lernen?

Maike: Ja natürlich. Zum Beispiel immer wieder aufzustehen, wenn man hinfällt. Und nicht von einer negativen Erfahrung auf andere Situationen zu schließen. Das haben Erwachsene oft verlernt. Genauso das Lachen. Lachen macht auch glücklicher. Kinder lachen ca. 400 mal am Tag. Das ist 27 mal häufiger am als Erwachsene.

jc: Kann man glücklich sein lernen? Oder anders gefragt: Welche Rolle kann die Schule im Zusammenhang mit „glücklich sein“ spielen?

Maike: In Finnland schafft man gerade „Fächer“ ab und führt „Lebensbereiche“ ein. Ich finde, das ist ein toller Ansatz. Denn ein wesentlicher Faktor für ein glückliches Leben ist, dass man sich die Frage nach dem „Warum“ beantworten kann. Also, warum soll ich etwas tun? Wozu ist es gut? Wem hilft es? Ich beobachte, dass in den Schulen noch immer zu oft reines Wissen vermittelt wird. Was uns aber glücklich macht ist, wenn wir den Sinn unseres Tuns verstehen. Da wäre es für Schüler hilfreich, wenn auch Lehrer weiter schauen als bis zu den Grenzen ihres eigenen Faches.

jc: Es geht in der Schule aber nicht immer nur um Wissenvermittlung.

Maike: Natürlich nicht. Gerade Fächer wie Sozialkunde, Sport, Politik, Religion oder Kunst sind Fächer die Kindern die Möglichkeit geben etwas über sich selbst und ihren Platz in der Gesellschaft zu lernen. In manchen Schulen gibt es dazu auch das Fach Glück. Da geht meiner Meinung nach allerdings noch mehr. Denn Schule kann ein fantastischer Ort sein, sich als Persönlichkeit zu entwickeln, seine Gedanken und Meinungen zu formen, zu testen oder zu verwerfen. Fehler zu machen und aus Ihnen zu lernen. Schule kann ein Ort werden an dem Schüler lernen können, sich ihrer Fähigkeiten bewusst zu werden, selbstbewusst zu werden. Das kann man aber nicht in Fächer oder Schubladen pressen. Das ist eine Sache der Offenheit, des Dialogs und der Haltung der Lehrer und der Lern-Atmosphäre.

jc: Ich sehe schon, jetzt packt Sie die Leidenschaft. Warum ist das so wichtig für das Glück?

Maike: Weil nur Menschen, die wissen, dass sie als Person mit ihren Eigenheiten respektiert und nicht nur beurteilt werden in der Lage sind gemeinsam etwas zu erschaffen, miteinander zu kooperieren, sich gegenseitig zu helfen, Gemeinschaft zu erleben. Denn selbstbewusste Menschen benötigen keine Ellbogen um Ihren Bereich zu verteidigen oder andere zu mobben, kleiner zu machen, damit sie größer erscheinen. Darüber hinaus hat sowohl die Hirn- als auch die Glücksforschung gezeigt, dass Menschen sich am Besten entwickeln, wenn sie sich mit einander verbunden fühlen. Und das kann Schule leisten, wenn sie möchte.

Konkretes Lob ist wichtig

jc: Was können Lehrer tun?

Maike: Vor allem Zeit in die Schüler investieren. Ich weiß, das ist leichter gesagt, als getan. Lehrer sollten sich überlegen, wie sie die Eigenmotivation ihrer Schüler fördern können, ihre Individualität und ihr Selbstvertrauen. Um Kinder in ihrer Person zu bestärken ist zum Beispiel konkretes Lob sehr wichtig, was klar macht, dass sich Kinder sich zu aller Zeit entwickeln können. Anstatt zu sagen: „Du hast wirklich Talent,“ könnte man sagen: „Toll, dass du einen Weg gefunden  und diese harte Nuss selbst geknackt hast.“ Das motiviert viel mehr für zukünftige Aufgaben. Kinder lernen an sich selbst zu glauben und unternehmen dann mehr. Hilfreich wäre auch zu schauen in wieweit Kinder einander im Lernprozess unterstützen könnten.

jc: Können kreative Tätigkeiten zum Glück beitragen? Zum Beispiel im Kunstunterricht?

Maike: Erstmal kann man auf ganz verschiedene Arten kreativ sein. Dafür braucht man nicht unbedingt den Kunstunterricht. Zum Beispiel, wie komme ich von a nach b? Fahre ich mit dem Fahrrad, dem Bus oder laufe ich? Oder kombiniere ich das ganze mit einem Roller? Kreatives Arbeiten kann auf jeden Fall zum Glück beitragen. Denn da kann ich neues ausprobieren und altes loslassen. Das macht glücklich. Und das ist eine positive Spirale, denn Menschen, die glücklich sind, sind sehr viel kreativer als Menschen, die unglücklich sind.

jc: Dann darf ich jetzt behaupten, dass wir mit dem Wettbewerb „jugend creativ“ ein kleines bisschen zum Glück von Kindern und Jugendlichen beitragen?

Maike: Klar, allein schon dadurch, dass mit dem Wettbewerb „jugend creativ“ die Aufmerksamkeit auf so eine wichtige Eigenschaft wie Kreativität gelenkt wird. Denn wer kreativ ist, sucht neue Wege, kombiniert altes neu und schafft neue Dinge. Er lernt, entwickelt, patzt, steht auf, kämpft und gewinnt immer. Und wenn es nur ein wenig Selbsterkenntnis ist. Und das ist Glück. Probleme zu überwinden und weiter zu streben.

jc: Hast du für Kinder und Jugendliche einen Tipp für´s Glück?

Maike: Seid frech! Bleibt neugierig, macht euer eigenes Ding und seid auch mal ungehorsam. Stellt immer viele Fragen und habt keine Angst Fehler zu machen.

jc: Danke Maike, das war ein spannendes Gespräch. Alles Gute und viel Glück!

Aus diesem Gespräch nehmt ihr sicher auch einiges für den Alltag mit, oder? Ganz oben steht: Macht euer eigenes Ding und zeigt uns eure Werke zum Thema „Glück ist …“. Alle Infos zur Teilnahme findet ihr hier. Viel … Glück!

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