von Victoria Gütter
Freitagmorgen im Leipziger Max-Klinger-Gymnasium: Die Regentropfen schlagen gegen das Fenster und es wird nur langsam hell. In der Schule herrscht schon buntes Treiben. Punkt acht Uhr hallt die Schulklingel durch das Gebäude. Während sich die Schüler vom Gang in die Klassenzimmer verdrücken, haben ein paar von ihnen für eine Stunde Pause, um sich mit mir über ihr „Traumbuch“ zu unterhalten.
Vom Schulprojekt zum fertigen Buch
Foto: Victoria Gütter
In einem leeren Kunstzimmer treffe ich auf eine Hand voll Schüler der zehnten Klasse und ihre Lehrerin Dorothea Seeber. Vor mir sitzen junge Buchautoren, die eher schüchtern auf meine erste Frage reagieren: „Wie seid ihr überhaupt darauf gekommen, ein Buch zu schreiben?“
Einige Sekunden Stille, dann traut sich Tom zu einer Antwort: „Es war die Mutter eines Mitschülers, die uns den Kontakt zum Verlag vermittelt und alles in die Wege geleitet hat.“ Nach so glänzender Vorarbeit, konnte der Startschuss für das Projekt „Buch“ fallen.
Zusammen mit ihrer Deutsch- und Kunstlehrerin Dorothea Seeber haben die Jungs und Mädels zuerst angefangen, Ideen zu sammeln. Es sollte ein Buch werden, in dem jeder Schüler mit seiner Geschichte Platz haben sollte. „Unsere Texte haben wir im Unterricht geschrieben“, erzählt mir Josephine mit einem Glitzern in den Augen. Bei alledem haben ihnen Literaturstudenten der Uni Leipzig unter die Arme gegriffen.
Träume waren als Oberthema spannend
Dabei stand das Thema „Traum“ nicht von vornherein auf dem Plan. Erst nach einem langen Brainstorming fanden alle diese Idee spannend genug, um damit ein ganzes Buch zu füllen. „Dieses Thema hat uns einfach den größten Spielraum gegeben, um unserer Fantasie freien Lauf zu lassen“, so die 16-jährige Schülerin weiter.
Die 27 Einzelgeschichten handeln nicht von echten Träumen. „Dafür sind sie teilweise zu abgedreht“, meint Tom. In jeder Geschichte begegnet dem Leser ein Junge, der sich wie ein roter Faden durch das Buch schlängelt. Die Ideen für ihre Geschichten flogen den jungen Buchautoren gerade so zu. Wer Probleme damit hatte, sie auch aufs Papier zu bringen, konnte auf die Hilfe der Studenten setzen. Diese haben sich die Geschichten angeschaut und Tipps gegeben, was beim nächsten Mal noch besser laufen könnte. Die Endkorrektur hat dann aber doch ein Lektor übernommen. Und Frau Seeber hat die fertigen Werke als Klassenarbeit benotet.
Von der Idee über den Druck zur ersten Lesung
Als alle Geschichten in Sack und Tüten waren, durfte die Klasse ihr „Baby“ noch weiter begleiten. Zusammen besuchten sie die Druckerei. Auch das Titelblatt durften sie selber gestalten und aussuchen.
Die Krönung war, als die Schüler ihr Buch auf der Leipziger Buchmesse vorstellten und daraus vorlasen. Es hatte den Titel „Traumschatten – Schattenträume: Anthologie“ bekommen. Im Publikum saßen Eltern, stolz über beide Ohren. Auch im Literaturinstitut der Uni Leipzig durfte die Klasse ihr Werk noch einmal präsentieren. „Beide Male ging mir ganz schön die Sause“, verrät Josephine etwas kleinlaut.
Ihre Träume kommen – anders als ihr Buch – in der Schule nur hin und wieder zur Sprache, meistens im Ethikunterricht. Doch in den Augen von Tom „brauchen wir dafür kein Schulfach“. Träumen wollen sie weiterhin lieber außerhalb der Klassenräume.
Seit dem Buch sind mittlerweile drei Jahre vergangen. Heute hat sich die ehemalige 7. Klasse in drei Klassen aufgeteilt. Nur hin und wieder begegnen sie sich auf dem Flur. „Aber wir haben ja noch das Buch, das verbindet uns. Und das finde ich toll“, wirft mir Josephine noch zu, bevor alle wieder zum Unterricht eilen.