Der Berliner Dr. Wolfgang Krüger ist Psychotherapeut, Buchautor und Experte in Sachen Freundschaft. Der 68-Jährige hat bereits einige Bücher über Freundschaft geschrieben.
Warum braucht der Mensch überhaupt Freunde zum Leben?
Wir haben zwei Probleme im Leben: Unsicherheit und Selbstzweifel. Wir brauchen Freundschaften als eine Art kleines, soziales Dorf, damit wir uns innerlich sicher fühlen.
Wie unterscheidet man Freundeskreis und beste Freunde?
Schon die alten Griechen hatten Kriterien und unterschieden zwischen Herzensfreunden – also beste Freunden – denen man alles erzählen kann. Die zweite Gruppe sind Durchschnittsfreunde, der Freundeskreis. Nur die Herzensfreunde sind die wahren Freundschaften. Denen kann man auch etwas über Ängste und peinliche Situationen erzählen. Man weiß, dass die das nicht weitererzählen. Beste Freunde haben wir höchstens drei Personen.
Wie findet man heraus, wer ein bester Freund ist?
Das kriegt man mit dieser Frage raus: Wenn etwas passiert, wen könnte ich notfalls um Mitternacht anrufen? Das sind wenige Personen. Wir brauchen nicht nur diese drei besten Freunde, sondern ein soziales Dorf. Dazu gehören die besten Freunde und möglichst zwölf Durchschnittsfreunde im weiteren Freundeskreis. Wir müssen das Gefühl haben, als ob wir in einem Netzwerk von Menschen leben, die sich untereinander kennen. Deshalb spielt es auch eine große Rolle, dass man sich in Gruppen trifft und zum Geburtstag einlädt.
Wann im Leben hat man die meisten Freunde?
Die meisten Freunde haben wir in der Schulzeit, weil wir da viele Jahre in die gleichen Klassen gehen. Wir haben viel Zeit mit anderen Freundschaften zu schließen und gemeinsame Themen über die wir reden können. Über die Lehrer, den Unterricht, die Eltern. In dieser Zeit ist man noch nicht an eine eigene Familie mit Partner und Kindern gebunden.
Was ist nach der Schulzeit anders?
Wenn wir später arbeiten wird es schwieriger, weil ich weniger Menschen in Gruppen kennenlerne und die meisten dann einen Freundeskreis oder Familie haben. Wir haben nicht mehr so viel Zeit. Ich muss sehr viel mehr Initiative aufwenden, um dann Freundschaften zu finden. Meistens gehen im Laufe des Lebens die Freunde zurück. Wir wissen, dass innerhalb von sieben Jahren bei den meisten Menschen jeweils eine Freundschaft scheitert.
Warum zerbrechen Freundschaften?
Zunächst einmal muss man unterscheiden: Die besten Freunde, mit denen wir viel Zeit verbracht haben, halten erstaunlich lange. Im Durchschnitt weit über 20 Jahre. Das, was kaputt geht sind mehr die Durchschnittsfreunde. Bei denen sagt man leichter, je weiter sie weg ist, dass es sich nicht mehr lohnt Zeit zu investieren und die Freundschaft aufgibt. Da gibt es natürlich viele Gründe. Es kann sein, dass man sich einfach nicht gut versteht oder einer will immer bestimmen. Vielleicht ruft eine Freundin mich jeden Tag an und ich bin genervt. Schwierig ist es vor allem dann, wenn man nicht darüber spricht. Freunde müssen sich neu verabreden. Freundschaften gehen auseinander, um die ich mich nicht mehr kümmere.
Gibt es einen Unterschied zwischen Freundschaften unter Mädchen und unter Jungs?
Mädchen haben intensivere Freundschaften, die emotionaler sind, man erzählt sich mehr, es gibt verschiedene Rituale. Zum Beispiel Freundschaftsbänder oder Poesiealben. Deshalb haben Mädchen, wenn sie auf eine andere Schule kommen, sehr schnell doppelt so viele Freundschaften wie Jungen, da sie größere soziale Fähigkeiten aufweisen. Jungenfreundschaften sind reservierter, sachlicher, man erzählt sich nicht so viel, man umarmt sich weniger, rauft mehr miteinander.
Ab wann sprechen wir von Freundschaft?
Bei einer Freundschaft gehe ich jetzt mal von besten Freunden aus. In einer Freundschaft kann man möglichst über alles reden. Es gibt immer einen Zeitpunkt, wo man das merkt. Nämlich, wenn man anfängt über sich zu reden und man beginnt Vertrauen in den anderen zu setzen. Vorher ist man vielleicht in einer Gruppe zusammen und trifft sich mal alleine. Man fängt an zu erzählen und sagt: „Auch mir fällt es schwer Mathe zu lernen und mit den Eltern zu Hause gibt es oft Stress.“ Man fängt meistens mit harmlosen, aber schwierigen Dingen an. Dann merkt man, ob der andere das versteht und ob er seinerseits von sich erzählt. Wenn das passiert, beginnt eine Freundschaft.
Warum ist Freundschaft etwas Besonderes?
Auf Freunde kann man sich in schwierigen Situationen absolut verlassen. Ich möchte, dass der andere mich bei wichtigen Dingen unterstützt, vor allem bei schwierigen. Verständnis und Zuverlässigkeit sind wichtig in Freundschaften. Wir wissen, wer gute Freunde hat, lebt 22 Prozent länger.
Vielleicht hat dir das Interview geholfen, Ideen für tolle Beiträge zum Wettbewerbsthema „Freundschaft ist … bunt!“ zu finden und kreativ umzusetzen. Einsendeschluss für unseren Wettbewerb „jugend creativ“ ist der 24. Februar 2017, für alle aus Bayern bereits am 3. Februar 2017.
Text: Alina Frechen
Foto: Dr. Wolfgang Krüger: Presse