Warum steht eigentlich am Ortseingang von Mannheim ein Schild mit Städtenamen aus aller Welt? Das, und wie seine Heimatstadt Mannheim dadurch ein bisschen näher nach Frankreich gerückt ist, erklärt Ideengeber Jens.

 

Seit 1959 unterhält Mannheim eine Städtepartnerschaft mit Toulon. Über 5.000 Freundschaften, die deutsche Städte mit anderen Städten weltweit pflegen, zeugen davon, dass Freundschaft auf vielen Ebenen funktioniert. Die Idee der Städtepartnerschaft ist nach dem zweiten Weltkrieg entstanden.

Der Gedanke der Völkerverständigung war damals ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Versöhnung und einem gemeinsamen Europa. Begonnen hat es damit, dass Vertreter aus englischen, kanadischen, amerikanischen und belgischen Städten ihre Kollegen aus deutschen Städten und Gemeinden einluden. So sind von 1948 bis 1950 erste Städtepartnerschaften, beispielsweise zwischen Bonn und Oxford oder zwischen Hannover und Bristol entstanden.

Städte, Bürgerinnen und Bürger begegnen sich

Meine Heimatstadt Mannheim pflegt seit 1959 eine Städtepartnerschaft mit Toulon. Von eigenen Reisen weiß ich die Vorzüge der südfranzösischen Stadt zu schätzen, ganz besonders den Strand und das blaue Wasser. Nicht zu übertreffen ist auch der provenzalische Markt, der wunderbaren Gerüche durch die ganze Innenstadt ziehen lässt. Viele meiner Freunde waren auch beim Schüleraustausch in Toulon dabei, ich selbst war immer wieder im Sommer zu Besuch. Tom (18) ist 2015 einige Wochen dort zur Schule gegangen. „Wir hatten ein straffes Programm und sind daneben auch noch zur Schule gegangen. Aber mit der Côte d’Azur vor der Haustür lässt sich das natürlich gut aushalten.“

Die Städtepartnerschaften beruhen auf bürgerschaftlichem und politischem Austausch. Im Mittelpunkt dieser Freundschaften stehen gemeinsame kulturellen Veranstaltungen oder sportliche Wettbewerbe, sowie gegenseitige Besuche von Gemeinden und Musikgruppen. Besonders beliebt ist der Schüleraustausch, der auch junge Menschen für die Idee der Städtepartnerschaft begeistert.

„Erfahrungsaustausch und gemeinsame Entwicklung“

Neben Toulon pflegt Mannheim noch zehn weitere Partnerschaften und zwei enge Freundschaften mit Städten rund um den Globus. Gerade im Hinblick auf das Zusammenwachsen Europas seien Städtepartnerschaften auch weiterhin besonders zeitgemäß, findet der Oberbürgermeister Mannheims, Dr. Peter Kurz. „Heute sind Städtepartnerschaften nicht nur ein Element der Völkerverständigung, sondern auch eine wichtige Basis für den Erfahrungsaustausch und die gemeinsame Entwicklung von Problemlösungen.“ Viele gemeinsame Projekte, beispielsweise ein Abwasserprojekt mit der befreundeten Stadt Hebron in Israel, zeugen davon, dass solche Kooperation funktioniert. „Seit einigen Jahren wird der Partnerschaftsgedanke auch immer stärker getragen vom Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen und nicht zuletzt von dem Wunsch der fortgesetzten internationalen Vernetzung“, so Dr. Kurz.

Für mich bedeutet die Freundschaft zu Toulon auch Nähe zu einem anderen Land, dessen Kultur und Menschen. Von Mannheim aus kann ich in rund einer Stunde in Frankreich sein. Es ist quasi „um die Ecke“. Aber vor allem ist es kein Problem für mich einfach dort hinzufahren und die Grenze zu passieren – aus historischer Sicht keine Selbstverständlichkeit.

 „Aus Erzfeinden werden Freunde“

Deshalb kommt den Städtepartnerschaften oder auf Französisch „Jumelages“ mit französischen Städten eine ganz besondere Bedeutung zu. Denn die gemeinsame Geschichte war lange Zeit durch Krieg und gegenseitigen Hass bestimmt. Die erste deutsch-französische Partnerschaft wurde 1950 zwischen Ludwigsburg und Montbéliard geschlossen – ein Meilenstein und Sinnbild für die gemeinsame Zukunft. Erst einige Jahre später, 1963, wurde die neue Freundschaft der beiden Länder auch auf höchster Ebene durch Bundeskanzler Adenauer und den französischen Präsidenten de Gaulle im sogenannten Élysée-Vertrag besiegelt.

Seit bald 60 Jahren verbindet Mannheim und Toulon eine Städtepartnerschaft. Doch nicht nur Heiterkeit vereint die beiden Städte, auch traurige Momente sind in die gemeinsame Geschichte eingegangen.

So starben bei Veranstaltung am 11. September 1982 46 Menschen bei einem Hubschrauberunglück. Der Hubschrauber mit Fallschirmspringern aus Mannheim und den Partnerstädten Toulon und Swansea an Bord, stürzte kurz nach dem Start vor den Augen Tausender Zuschauer auf die nahegelegene Bundesautobahn. Diese gemeinsamen Erfahrungen haben die Freundschaft der Menschen oftmals noch vertieft. „Mit meinen französischen Freunden teile ich Freud und Leid. Sie sind für mich wie meine Familie“, erzählt Gudrun Höfer, Mitglied im Beirat des Förderverein Städtepartnerschaften Mannheim und langjährige Koordinatorin und Kennerin der Beziehungen zu Toulon. Für sie ist Toulon über die Jahre zur zweiten Heimat geworden.

Was sie dabei besonders bewegt, ist der gemeinsame Friedensgedanke. An einen sehr emotionalen Moment erinnert sie sich aus dem vergangenen Sommer: „Bei einer deutsch-französischen Veranstaltung habe ich mich mit einem Franzosen unterhalten. Sein Vater und Großvater haben im Krieg gegen die Deutschen gekämpft. Meine gegen die Franzosen. Wir waren uns aber einig: aus Erzfeinden sind Freunde geworden, ein Krieg heute undenkbar.“

Die 47. Wettbewerbsrunde von jugend creativ findet zum Thema „Freundschaft ist … bunt“ statt. Teilnahmeschluss ist der 24. Februar 2017.

Text: Jens Augspurger