Ob Nachrichtensendung, Talkshow oder Zeitungsbericht – alle Medien konfrontieren einen mit der Flüchtlingskrise. Die schwarzen Bretter von Lisas Uni waren übersäht mit Einladungen zu Podiumsdiskussion, Sprachcafés und Refugees-Welcome-Parties – die Willkommenskultur in Deutschland war im vollen Gange und Ideengeberin Lisa hatte das dringende Bedürfnis ein Teil von ihr zu sein.

Nachdem alle Welt in großer Sorge wegen des Flüchtlingszustroms war, begann ich mit der Suche nach einem Ehrenamt, um die Integration der Geflüchteten zu unterstützen. Die Flüchtlingshilfe Mainz half mir eine passende Aufgabe für mich zu finden und schlug mir vor, Patin zu werden. Sie vermittelten mir den Kontakt einer erfahrenen Patin und gemeinsam fuhren wir in die Gemeinschafsunterkunft in Weisenau, einem Stadtteil von Mainz. Etwas eingeschüchtert war ich von dem Anblick der Container, den engen Fluren, dem wilden Durcheinander an Schuhen, alten Spielzeugen und dem vielen Müll. Im Büro der Malteser empfing mich Christina, sie leitete die Gruppe der ehrenamtlichen Paten.

Auf engstem Raum

Nach einem kurzen Gespräch stellte sie mir direkt meine zukünftige Patenfamilie vor. Familie Khalil wohnte zu diesem Zeitpunkt seit drei Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft. Die fünfköpfige Familie teilt sich zusammen ein Zimmer. Darin sind zwei Doppelstockbetten, zwei Einzelbetten, ein Kleiderschrank, zwei Kühlschränke, ein Küchenregal, ein Fernseher und ein Esstisch mit vier Stühlen untergebracht. Der ganze Boden war mit Teppichen ausgelegt und es roch nach Essen und verbrauchter Luft.

Die erste Begegnung war komisch. Christina schob mich in das kleine Zimmer. Ich fühlte mich fehl am Platz. Fast ein bisschen aufdringlich, so wie wir alle zusammen in dem kleinen Zimmer bei einander standen. Christina stellte mich vor und alle schüttelten mir höflich die Hand. Sie erklärte, dass ich mich ab heute um sie kümmern werde, was mit einem schüchternen Nicken beantwortet wurde. Ob sie wirklich verstanden haben, was Christina zu ihnen gesagt hatte, war nicht zu erkennen. Nach einer etwas holprigen ersten Konversation (einer Mischung aus Deutsch, Englisch und Arabisch) verabredeten wir uns für den folgenden Tag.

Das war sie nun also, meine Patenfamilie: Mutter Hajar, ihre drei Söhne, Hussein (10 Jahre), Mohammed (12 Jahre) und Ismail (14 Jahre) und ihre Tochter Rania (16 Jahre).

 

Mensch ärgere Dich nicht

Auf unser erstes Treffen folgten viele weitere Unternehmungen: gemeinsame Konzert- und Museumsbesuche, Spiele- und Kochabende, Kirmesbesuche, Eis-Essen im Park oder Deutsch- und Hausaufgabenhilfe. Natürlich haben wir auch typisch „meenzerisches“ unternommen: An Fassnacht lief die gesamte Unterkunft beim Kinderzug mit. Alle waren verkleidet und haben fröhlich Helau gerufen. Besonders witzig fanden sie es, den Leuten am Straßenrand Süßigkeiten zu zuschmeißen – wobei die meisten dann doch im eigenen Mund gelandet sind.

Am Anfang war die Kommunikation schwer. Hajar versteht viel Deutsch, aber sie spricht wenig. Anfangs hatten auch die Kinder noch viele Sprachschwierigkeiten, weshalb die Gespräche sich auf das Minimalste beschränkten. Um ihnen etwas entgegen zu kommen, versuchte ich auch ein paar Brocken Arabisch zu lernen. Zumindest die Zahlen bis Zehn kann ich schreiben. Spiele waren eine willkommene Ablenkung und halfen über die Kommunikationsprobleme hinweg. Bis heute ist „Mensch ärgere Dich nicht“ ein fester Bestandteil unserer Treffen und so ein Spiel kann auch gerne mal drei Stunden dauern.

Bilderbücher helfen beim Erzählen

Mit der Zeit sind die Kinder aber immer fitter in der deutschen Sprache geworden. Dadurch habe ich auch etwas mehr über sie erfahren. Ursprünglich kommt die Familie aus Syrien, aus einem Dorf in der Nähe von Aleppo. Dort lebt auch noch der Vater, den sie nach erfolgreichem Asylverfahren nachholen möchten. Um etwas mehr über ihre Flucht zu erfahren, habe ich ein Bilderbuch zu diesem Thema gekauft. Gemeinsam haben wir uns die Zeichnungen angesehen und sie haben mir ihre Geschichte erzählt. Wie die meisten syrischen Flüchtlinge sind sie mit Bussen, Booten und zu Fuß über die Balkanroute gekommen. Sie haben mir Fotos von ihrem Nachbarhaus gezeigt, das vollkommen zerbombt war. Ihres sehe genauso aus, erklärte mir Rania. Nun sind sie seit über einem Jahr in Deutschland und hatten vor einem Monat ihre erste Einladung zu einem Gespräch mit den Behörden. Die Aufenthaltsgenehmigung gilt erstmal nur für ein Jahr. Mithilfe eines Anwalts wollen sie diese auf drei Jahre verlängern. Dann haben sie auch bessere Chancen auf eine Wohnung, da dann das Sozialamt die Kosten übernimmt.

Freundschaft als kultureller Austausch

Im Gegensatz zu meinen anderen Freundschaften sind wir uns weniger vertraut. Am Anfang eines Treffens müssen wir uns erstmal wieder beschnuppern und aufeinander einstellen. Ich bin immer noch ein wenig aufgeregt bin, bevor ich an ihre Tür klopfe.

Unsere Freundschaft ist mehr ein kultureller Austausch. Zum Beispiel habe ich durch die gemeinsamen Abendessen viel über die Essenskultur in Syrien gelernt. Da sind einige leckere Sachen dabei, wie zum Beispiel Naanbrot, dass in Olivenöl und Gewürze getunkt wird. Das hat mir so gut geschmeckt, dass Rania gleich am nächsten Tag mit mir zu einem arabischen Supermarkt gefahren ist, um die Gewürzmischung zu kaufen. Aber auch andersrum versuche ich ihnen die deutsche Kultur näher zu bringen. Zum Beispiel waren wir auf einem Fotowalk durch Mainz, haben Ostereier gefärbt und bei mir zuhause mit meinen Freunden gekocht. Für die Weihnachtszeit möchten wir gemeinsam auf den Weihnachtsmarkt gehen oder Eislaufen.

Freundschaft hat viele Gesichter und entspricht nicht immer ihrem traditionellen Verständnis. Darum ruft der 47. Internationale Jugendwettbewerb unter Motto „Freundschaft ist … bunt!“ dazu auf, dich mit der Vielfalt von Freundschaften auseinanderzusetzen. Einsendeschluss ist der 24. Februar 2017, in Bayern der 3. Februar 2017.

Text: Lisa Winter
Fotos: privat