Als Katharina Jung mit 17 Jahren ihre Realschule bei Augsburg abgeschlossen hatte, reiste sie für zwei Monate nach Jinja am Viktoriasee in Uganda, um dort freiwillig in einem Waisenhaus zu arbeiten. Dort traf sie Odongo, der ihr an einem stressigen Tag dabei half, einen Badeausflug für die Kinder zu organisieren. Er selbst hatte früher in jenem Waisenhaus gewohnt und war nun zu Besuch. Katharina und Odongo verstanden sich auf Anhieb und wurden Freunde. Eines Tages erzählte er ihr von seiner Kindheit: Als er sieben Jahre alt war, wurde sein Dorf in Nord-Uganda von der brutalen Lord’s Resistance Army (LRA) überfallen. Diese radikal-christliche Rebellengruppe steht unter Führung von Joseph Kony. Eine Kampagne namens Invisible Children machte 2012 international darauf aufmerksam, dass die LRA Kinder entführt, Jungen zu Kindersoldaten und Mädchen zu Sexsklaven macht. Auch Odongo und seine Schwester wurden von der LRA entführt, jedoch nach einigen Tagen unter ungeklärten Umständen zurückgelassen. Die beiden hilflosen Kinder überlebten die Entführung wie durch ein Wunder. Viele der Nachbarn, die entführt wurden, sind nie wieder zurückgekommen
Zwölf Jahre nach diesen Ereignissen machte Odongo seinen Schulabschluss und lernte Kathi kennen. Sie blieben in Kontakt, auch als Kathi wieder nach Deutschland zurückgekehrte und ihr Abitur machte. Als Kathi für ein Schulprojekt den Konflikt in Uganda recherchierte und Odongo davon erzählte, lud er sie kurzerhand zu sich ein. So reiste sie mit 19 spontan ein zweites Mal nach Uganda.
Kathi lebte gemeinsam mit seiner Großfamilie in runden Lehmhütten im Urwald. Sie lernte in Uganda auch ein wenig die lokale Sprache Luganda und viel über die ländliche Lebensrealität der Menschen: „Es ist dort normal zehn Kinder zu haben. Viele sterben vor dem fünften Lebensjahr. Kaum einer geht dort für eine Geburt ins Krankenhaus, denn im ganzen Dorf gibt es nur ein Fahrrad mit dem man über drei Stunden zur nächsten Stadt braucht.“ Jeden Abend gingen sie in die umliegenden Dörfer und Katharina interviewte ehemalige LRA-Kindersoldaten und vergewaltigte Frauen, die Kinder von LRA-Rebellen hatten. Nachdem die LRA von der Regierung zurückgedrängt worden war, gelang es einigen zu fliehen. Sie erzählten Katharina viele grausame Geschichten.
Der Anfang von etwas Großem
Als Kathi das zweite Mal aus Uganda zurückkehrte, beschäftigten sie ihre Erlebnisse in Uganda weiterhin. Zum einen dachte sie viel darüber nach, wie man den Leuten, die sie kennengelernt hatte, am besten helfen könne und zum anderen wollte sie auch anderen diese interkulturelle Lernerfahrung ermöglichen, die sie durch ihre Freundschaft mit Odongo erfahren hatte. Sie hatte auf ihrer Reise durch Uganda außerdem gelernt: „In Afrika gibt es genauso viele ambitionierte, kluge, junge Menschen wie in Europa, aber die haben einfach nicht dieselben Chancen wie wir.“ Kathi selbst bekam für ihr Studium der Sozialwissenschaften in Bonn und Madrid ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes und hatte das Bedürfnis dieses Stipendium zu teilen. Aus diesen Gedanken reifte über die Jahre eine Idee, die sie gemeinsam mit Odongo ausprobierte und weiterentwickelte.
Eins + Eins = Zwei
2015 gründete Kathi schließlich die Initiative Scholarship2, die jeweils einen deutschen Studierenden mit einem Jugendlichen aus einem Entwicklungsland verbindet. Scholarship² vermittelt bisher vor allem deutsch-ugandischen Tandem-Paare auf Basis von gemeinsamen Interessen und Studienrichtungen. Gemeinsam setzen die Tandems über mehrere Monate ein Projekt um – sie lernen gemeinsam und voneinander. Kathi findet die deutschen Studenten und Odongo die ugandischen Jugendlichen für Scholarship2. So konnten sie bisher bereits Informatik-Studenten aus beiden Ländern zusammenbringen, die einen Programmier-Workshop für ugandische Kinder entwickelt haben, zwei Medizinstudenten, die gemeinsam gegen AIDS forschen und zwei junge Dichter, die gemeinsam Gedichte veröffentlichen. Neben der persönlichen Beziehung auf Augenhöhe besteht auch die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung.
Mehr Freundschaften als Ziel!
Heute sagt Kathi, dass es ihr darum geht, effektive Hilfe mit Freundschaft zu verbinden: „Ich wollte eine Brücke bauen zwischen den jungen Menschen, die Zugang zu Förderung haben und denen, die das nicht haben.“ Als Gründerin von Scholarship2 wurde Kathi kostenfrei von dem Social Startup ProjectTogether gecoacht, das junge Menschen darin unterstützt ihre sozialen Projekte umzusetzen. Sowohl Kathi als auch Odongo haben große Träume: Odongo sagt: „Ich möchte meinen Bachelor Abschluss machen und Abgeordneter des ugandischen Parlaments werden, um den Leuten in meiner Gemeinde helfen zu können.“
Kathi möchte Scholarship2, das derzeit schnell wächst, weiterentwickeln, sodass in Zukunft junge Menschen in vielen weiteren Ländern des globalen Südens und Nordens durch solche Tandems internationale Freundschaften schließen können.
Wenn Euch die Geschichte von Kathi und Odongo inspiriert hat, könnt Ihr noch bis zum 24. Februar 2017 eure Beiträge als Bild- oder Filmformat zur 47. Wettbewerbsrunde von jugend creativ unter dem Motto „Freundschaft ist … bunt!“ einreichen.
Text: Noah Schöppl
Fotos: privat