Im Hafen der französischen Stadt Le Havre geht eben die Sonne auf. Glutrot steht sie am Himmel. Zwei kleine Boote schwimmen auf dem Wasser und im Hintergrund ragen hellblau die Schiffsmasten in den Morgenhimmel. Diese atmosphärische Stimmung hielt 1873 der französische Maler Claude Monet in dem berühmten Gemälde „Impression, Sonnenaufgang“ fest. Das Bild gab später dieser Kunstrichtung ihren Namen: Impressionismus. Was das mit Erfindungen zu tun hat? Unsere Ideengeberin Anita erklärt es euch, denn die Beziehung von Kunst und wissenschaftlichen Erfindungen ist lang und reich an Anekdoten.

 

Tuben, die die Kunstwelt veränderten

Das berühmte Gemälde von Claude Monet wäre ohne die geniale Erfindung eines Amerikaners – 32 Jahre zuvor – kaum möglich gewesen. Der US-amerikanische Maler John Rand erfand nämlich die Farbe in der Tube. Zuvor musste man Farben erst kurz vor dem Gebrauch frisch mischen und transportierte sie davor in Schweinsblasen. Rand ließ sich die Tube patentieren und löste, auch wenn ihm das noch nicht bewusst war, eine Revolution in der Kunst aus: Endlich konnte man auch unterwegs und auch draußen direkt vor dem Motiv malen. Eine weitere Erfindung regte die impressionistischen Künstler ebenso an, von der Kunstmetropole Paris aufs Land zu fahren, wo sie ihre Naturmotive fanden: die Eisenbahn.

Der Künstler als Erfinder

Das berühmteste Beispiel ist wohl das Universalgenie Leonardo da Vinci. Er malte mit der Mona Lisa nicht nur das vielleicht bekannteste Gemälde der Welt, sondern entwarf bereits im späten 15. Jahrhundert einen Panzer, einen Fallschirm und einen Taucheranzug. Viele seiner Erfindungen blieben Entwürfe und sogar bis heute zweifeln Experten an der Funktionstüchtigkeit. Im Jahr 2000 machte jedoch der Brite Adrian Nicholas die Probe aufs Exempel und sprang mit einem nach da Vincis Entwürfen gebauten Fallschirm aus einer Höhe von 3500 Metern. Und der Fallschirm funktionierte.

Ein weiterer, künstlerischer Erfinder ist der Franzose Yves Klein. Klein ist für seine monochrom blau gestalteten Werke berühmt. Da er jedoch unter den Farben seiner Zeit kein für ihn zufriedenstellendes Blau finden konnte, tüftelte er solange bis er schließlich ein Ultramarinblau entwickelt hatte, das seinen hohen künstlerischen Ansprüchen gerecht wurde. Am 19. Mai 1960 ließ er seine Farbmischung unter dem Namen „International Klein Blau“ patentieren.

Ein pixelartiges Farbenmeer im Dom

Doch nicht jeder Künstler wird gleich selbst zum Erfinder. Manche von ihnen nutzen wie die Impressionisten Erfindungen ihrer Zeit für ihre Werke. Künstler und Künstlerinnen wie Robert Doisneau, Bernd und Hilla Becher, Cindy Sherman und Jeff Wall prägten und prägen die künstlerische Fotografie. Doch seit der Erfindung der Fotografie im Jahre 1839 herrscht auch ein erbitterter Kampf darum, ob Fotografie wirklich auch Kunst sein kann. Zuallererst wurde sie schlicht als Dokumentationswerkzeug angesehen. Doch selbst Henry Fox Talbot, der die technische Entwicklung der Fotografie wesentlich mitprägte, war der Ansicht, dass Fotografie auch eine Kunstform ist. Heute ist die Fotografie aus der Kunst natürlich nicht mehr wegzudenken – nicht zu vergessen ist, dass sie außerdem Grundlage für alle Arten des heutigen Filmes ist.

Ein ganz besonderes Kunstwerk schuf der weltberühmte deutsche Künstler Gerhard Richter 2007 für den Kölner Dom. Das Fassadenfenster des Südquerhauses schmückt nun ein 113 Quadratmeter großes Mosaik aus 11.500 bunten Glasquadraten in 72 Farbtönen. Mittels eines eigens geschaffenen Computerprogramms ordnete Richter die Farbquadrate auf der Fläche an und schuf so ein pixelartiges Farbenmeer, das trotzdem ruhig und stimmig wirkt und sich wunderbar in die gotische Domarchitektur einfügt. Ohne die Erfindung des Computers und der Entwicklung des Programmes wäre das Mosaik in dieser Form also mit Sicherheit nicht entstanden.

Durchleuchtete Geheimnisse

Doch Erfindungen beeinflussen und inspirieren nicht nur die Künstler. Im Jahr 1895 entdeckte der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen die später nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Bereits ein Jahr später wurde in Frankfurt am Main das erste Kunstwerk durchleuchtet. Kunsthistoriker erhoffen sich dadurch neue Aufschlüsse über die Echtheit eines Werkes und den Arbeitsprozess des Künstlers. Indem man Gemälde durchleuchtet, kann man Vorzeichnungen und Übermalungen erkennen und sogar bestimmte Inhaltstoffe von Farben ausmachen. Hat es diese beispielsweise zu Lebzeiten des Künstlers noch nicht gegeben, liegt die Vermutung nahe, es könnte sich um ein gefälschtes Gemälde handeln.

Leider läuft die Beziehung aber nicht immer ohne Zwischenfälle. Claude Monet soll 1885 beim Malen in der Landschaft von der Flut überrascht worden sein. Dabei fiel seine gesamte Malausrüstung einer Welle zum Opfer. Yves Klein atmete wohl unwissend permanent die giftigen Dämpfe seiner neuen Farbe ein. Vermutlich ruinierte sie seine Gesundheit und führte zu dem frühen Tod. Trotzdem ist die lange Beziehung zwischen Kunst und Erfindungen seit je her eine sehr reiche. Die Neugier verbindet beide, sie verändern unsere Gesellschaft bis heute und bringen uns Fortschritt.

Text: Anita Schedler