Hier eine SMS, da WhatsApp und dazwischen Facebook: Wir sind immer erreichbar. Es ist für uns kaum vorstellbar, offline zu sein. Wie war das, bevor wir ein Smartphone hatten? Funktioniert der gute alte Brief heutzutage überhaupt noch?

Zugegeben es scheint unzeitgemäß, einen Stift zu nehmen, vor sich Briefpapier, einen Umschlag inklusive Briefmarke – und einfach drauf los zu schreiben. Die Antwort kommt frühestens in 24 Stunden. Ich mache das ab und zu. Wieso? Weil ich finde, dass nichts an die persönliche Note eines Briefes heranreicht. Klar, Instant-Messaging macht unser Leben leichter. Wir kriegen schnell, unkompliziert, ohne Mehrkosten und umweltfreundlich eine Antwort. E-Mail, Apps oder Chat gehören zu unserem Alltag.

Zeit für ein Experiment

Vor gut zwei Jahren begann eine gute Freundin ein Auslandsstudium. Sie musste jeweils ein Jahr in Sofia, Bulgarien und eines in im französischem Nizza, verbringen. Unvorstellbar, aber wahr: Meine Freundin verweigert sich Facebook. Sie hat zwar eine E-Mail-Adresse, aber die wird nur für Dringendes benutzt. So begann mein Selbstversuch wieder Briefe zu schreiben. Was ich am Anfang merkwürdig fand: Es fällt nicht leicht einen längeren Brief anzufangen. Man hat viel zu erzählen und weiß nicht, wo man anfangen soll.

Das ist viel schwieriger als bei einer Postkarte, die noch viele meiner Freunde verschicken. Oberflächlicher Smalltalk auf einer Zentimeter großen Fläche, die wir verschicken, um dem anderen teilhaben zu lassen an unserem Urlaubsabenteuer.

Auf eines müsst ihr euch bei den ersten  Briefen einstellen: Nach Seite drei wird die Hand kribbeln. Selbst ich als Studentin, die in Vorlesungen mitschreibt, kritzele nur Stichwörter hin. Etwa 75 Prozent meines Schriftverkehrs erledige ich nicht handschriftlich, sondern tippe lieber schnell. Meiner Handschrift sieht man’s an: Während meine Abiklausuren im schönsten Schriftbild glänzen, sind die Briefe an meine Freundin ein Geschmiere. Aber all das ist es wert. Ich denke viel mehr darüber nach, was mein Gesprächspartner mir bedeutet. Durch die räumlich-zeitliche Distanz, die ein Brief aufbaut, muss ich mir genau überlegen wie ich etwas schreibe, um Missverständnisse zu vermeiden. Bei WhatsApp oder SimsMe könnte ich die sofort korrigieren. Diesen bewussten Umgang vermisse ich. Wenn man mit Freunden bei Facebook schreibt, fällt einem das gar nicht so auf.

Eine Art Ritual

Ich erinnere mich gut an den ersten Brief, den ich meiner Freundin schickte. Ich regte mich darüber auf, wie teuer ein internationaler Brief ist. Gleichzeitig merkte ich: Briefe entschleunigen unseren Alltag ein wenig. Es tut gut, nicht nonstop erreichbar zu sein. In den zwei Jahren, die wir uns monatlich schrieben, wurde das Ganze zu einem Ritual. Für einen Brief brauchte ich, im Gegensatz zum sekundenschnellen Chat, ein ganzes Clueso-Album lang Zeit, um ihn fertig zu schreiben. Ich setzte mich nach einem nervigen Tag an den Schreibtisch, legte eine CD ein, trank einen Tee und konzentrierte mich auf den Brief. Ich lernte, gezielter auf Dinge zu antworten. Beim Brief schreiben fühle ich mich nie zu einer direkten Antwort gezwungen, weil der andere gesehen hat, dass ich seinen Post schon gelesen habe. Natürlich möchte ich die Vorteile, die mir das Chatten bietet nicht mehr missen. Es macht Absprachen einfacher… Vielleicht könnten wir beides, Brief und Chat, miteinander kombinieren.

Alles andere als kurz

Blicken wir auf die Ursprüngen des Briefes: Die haben mit unserer heutigen Art miteinander zu schreiben viel mehr gemeinsam, als viele denken. Laut dem Duden ist der Brief eine „schriftliche, in einem Umschlag übersandte Mitteilung“. Es leitet sich ab vom Lateinischen „breve“, was kurzes Verzeichnis bedeutet. Ein Brief sollte früher kurze Botschaften an Herrscher weiterreichen. Noch im Englischen bedeutet das Adjektiv „brief“ kurz oder knapp. Interessant ist das, da Briefe für uns heute das genaue Gegenteil von kurz zu sein scheinen. Knapp sind unsere Chat-Nachrichten.

Inzwischen ist meine Freundin, nach einem Abstecher in Amerika, zurück in Deutschland. Während ihrer Amerikareise haben wir aus Zeitgründen fast nur E-Mails geschrieben. Hier beobachtete ich das Gegenteil von dem, was ich beim Briefschreiben lieb gewonnen habe. Wir gaben uns nur kurze Updates – Wir konnten uns ja jederzeit wieder etwas zumailen. Ich habe beim Experiment Briefschreiben festgestellt, dass es mich entspannter gemacht hat. Außerdem habe ich einen regelrechten Hype um die neuen Briefe entwickelt. Wer bekommt schon regelmäßig Post von seiner Freundin aus Frankreich oder Bulgarien? Das ist schon cool.

Zeigt, was euch bewegt!

Wie sieht’s denn bei euch aus? Schreibt ihr auch lieber Briefe oder findet ihr Whatsapp und Co. einfach praktischer? Lasst eure Meinung einfließen im diesjährigen jugend creativ Wettbewerb. Kreiert ein Kunstwerk oder einem spannenden Kurzfilm. Lasst dabei eurer Kreativität freien Lauf – vielleicht mit einem selbstgeschriebenen Brief als Motiv?

Text: Sabine Winkler