Fast jeder hat ein Smartphone und ist immer mobil, immer online. Die Möglichkeit zur Kommunikation ist einfacher und schneller geworden. Aber auch die Möglichkeit zu kritisieren, zu stänkern und zu motzen, beschleunigt sich damit: Sogenannte „Shitstorms“ ziehen durch die virtuellen Welten und richten Verwüstungen an. Ideengeberin Melanie hat mal nachgeforscht, was ein „Shitstorm“ eigentlich ist.

———–

Habt ihr schon mal von einem Shitstorm gehört? Bestimmt! Doch was bedeutet das eigentlich? Der Begriff „Shitstorm“ stammt aus dem Militär und wurde unter US-Soldaten in den 1940er-Jahren im Krieg als Synonym für missliche Situationen verwendet. Mit der Zeit hat sich die Bedeutung gewandelt, teilweise wurde damit ein allgemeines Chaos beschrieben. Wörtlich übersetzt heißt Shitstorm „Scheiße-Sturm“. Diese Anspielung wurde aufgegriffen und auf soziale Online-Netzwerke angewendet: Viele wütende, destruktiver Kommentare oder Posts in Facebook fangen sprichwörtlich an zu dampfen und verdichten sich zu einer virtuellen Gewitterwolke. Durch wahrgenommene Fehltritte einer Person, Marke oder Organisation werden die virtuellen Stürme beschworen. Dabei nutzen wir die Netzöffentlichkeit zur freien Meinungsäußerung. Online erfahren eure Freunde und andere Menschen schnell davon, wollen mitreden und ihre Meinung dazu verkünden. Hoffentlich habt ihr einen Regenschirm dabei, denn ein Unwetter zieht auf!

Wie wir uns vom Shitstorm mitreißen lassen

Polemisierende Aussagen regen Shitstorms an. Durch das  „Teilen“ bzw. „Retweeten“ von Beiträgen in Facebook und Twitter kommt es zu einer regelrechten Flut an kritischen Äußerungen. Ein wütender Post oder Kommentar folgt dem nächsten, ein Schneeballeffekt setzt ein. Jeder schaukelt den anderen etwas höher, plötzlich wird jeder zum hasserfüllten Kritiker – der Shitstorm wächst. Durch Berichterstattung werden Shitstorms noch stärker. Zunächst wettern die Online-Medien mit. Wenn wir im späteren Verlauf sogar einen Beitrag im Fernsehen sehen oder in der Zeitung lesen, hat der Shitstorm seine volle Macht erreicht.

Einerseits nutzen Shitstorms die Netzöffentlichkeit zur freien Meinungsäußerung. Andererseits finde ich es fraglich, wie kritisch wir wirklich in sozialen Netzwerken bei Shitstorms sind. Durch die Einfachheit der schnellen Verbreitung in Facebook und Co. können wir leicht mitgerissen werden und differenzieren nicht mehr ausreichend aus. Wir fragen gar nicht mehr nach unsrer eigenen Meinung sondern klicken „stumm“ auf irgendwelche Tasten, um auch bei der Empörungswelle dabei zu sein. Durch die vermeintliche Anonymität im Netz wird dieser Effekt noch verstärkt. Eine Hasstirade möchte die andere in ihrer Boshaftigkeit übertrumpfen, es wirkt wie eine Art Wettbewerb auf der Suche nach der beleidigensten Formulierung. Wir lassen unsere Meinung eskalieren und handeln nicht mehr wie in der Realität. Das ist wohl das größte Problem. Denn vielleicht fühlt es sich nicht nach echtem Leben an, Einfluss hat es aber.

Jedes Gewitter muss sich abregnen

Markus Lanz kennt die Folgen von Shitstorms nur zu gut. Der Moderator scheint die Stürme regelrecht anzuziehen. Lanz wurde harsch für seine Arbeit kritisiert, sogar eine Online-Petition gegen ihn wurde gestartet. Seine Person ist stark umstritten. Böse Zungen behaupten, dass er eine Mitschuld am Sende-Aus der einst beliebten TV-Show „Wetten dass…“ trägt.

Auch Politiker bleiben vor Shitstorms nicht verschont. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis geht mit einem Video, in dem er mutmaßlich den Mittelfinger erhebt ebenfalls in die Geschichte der Shistorm-Jäger ein. Der Journalist und Moderator Jan Böhmermann wirbelte den Empörungssturm um Varoufakis ordentlich auf. Im Laufe dieses Shitstorms wurde dann diskutiert, ob das Video echt oder eine Fälschung ist. Blöderweise ging es auf die Kosten des griechischen Finanzministers: Es entstand in Deutschland eine ablehnende Haltung zu Varoufakis. Shitstorms können also sogar Einfluss in die Politik finden.

Über die Folgen muss man sich im Klaren sein, wenn man das virtuelle Wetter beeinflusst. Auch bei berechtigter Kritik sollte man nie vergessen, dass am anderen Ende ebenfalls ein Mensch sitzt. Die verführerische Anonymität, die man am heimischen PC oder mit dem Smartphone verspürt, gibt es im Grunde nicht. Im Internet lässt sich nämlich fast alles zurückverfolgen und man weiß ziemlich genau, wer was geschrieben hat.

Wie kann ich mich vor Shitstorms schützen?

Alle bauen mal Mist, doch solltet ihr das nicht direkt in sozialen Netzwerken wie Instagram festhalten. Das Internet ist zwar schnelllebig aber es vergisst nie. Denkt immer zwei Mal nach, bevor ihr etwas im Netz veröffentlicht und lasst doppeldeutige Formulierungen aus. Wenn ihr euch bei einem Thema nicht wirklich sicher seid, dann kommentiert lieber nicht, sondern informiert euch zunächst. Dann kommt ihr nämlich erst gar nicht in die Lage, dass eure Fehltritte so stark wahrgenommen werden. Des Weiteren solltet ihr vorsichtig mit Humor und Sarkasmus sein, denn nicht jeder versteht das, ohne Gestik und Mimik. Bevor ihr euch also im Internet mit jemanden streitet, solltet ihr euch im Klaren über die vielen Missverständnisse sein, die aus diesem Kommunikationsweg resultieren können.

Allgemein sollten wir auf Polemik im Netz verzichten. Versucht euch nicht in Facebook und Co. provozieren zu lassen, sondern behaltet einen kühlen Kopf und geht vernünftig vor. Ihr solltet nur Freundschaftsanfragen von Leuten annehmen, die ihr kennt. Dann habt ihr folglich die Möglichkeit, bei angreifenden Kommentaren oder Nachrichten an euch, außerhalb des virtuellen Raums in den Kontakt mit der Person zu kommen. Zum Beispiel durch einen klassischen Anruf, dann könnt ihr die Sache unter euch klären.

Hier zusammengefasst noch ein paar Hinweise für die Nutzung sozialer Online-Netzwerke, um nicht in einen Shitstorm zu geraten:

  1. Keine problematischen Äußerungen treffen. Das heizt den Shitstorm nur noch mehr an oder löst ihn gar aus.
  2. Nur Freundschaftsanfragen von Leuten annehmen, die ihr auch kennt. Idealerweise ordnet ihr sie Listen zu. So könnt ihr die Tragweite eurer Aktivitäten in sozialen Netzwerken besser einschätzen und kontrollieren.
  3. Handelt, wie in der Realität. Das ist die wohl wichtigste Regel, versucht höflich zu bleiben und denkt daran, dass ihr durch das Internet auch mit echten Menschen kommuniziert.

Text: Melanie Lal