Erdig oder himmlisch süß – die Musikerin Anna-Lena Schnabel (29 Jahre) kennt die Vorzüge der Klänge ihrer beiden Lieblingsinstrumente Saxophon und Querflöte genau. Im Interview mit Autorin Lisa Pausch erzählt sie, wie sie zur Musik kam und wieso sie den Internationalen Jugendwettbewerb „jugend creativ“ mit dem Thema Musik bewegt unterstützt.

Frau Schnabel, Sie haben früh, im Alter von acht Jahren, Klavier und Querflöte spielen gelernt. Warum diese beiden Instrumente?

Das war Zufall. Bei uns Zuhause stand ein Klavier, das war eigentlich für meinen Bruder gedacht. Ich war sechs Jahre alt, habe ein bisschen geklimpert und fand das toll. Zwei Jahre später bekam ich Unterricht. Zur Querflöte bin ich über ein Konzert von dem Querflötisten Hans-Jörg Wegner gekommen, ich fand den Klang unglaublich schön. Meine Mutter fragte ihn nach dem Konzert, ob er mir nicht Unterricht geben könne.

Mit 16 Jahren haben Sie dann zum Saxophon und zum Jazz gewechselt. Was hat Sie speziell am Jazz fasziniert?

Zum Jazz habe ich noch vor dem Saxophon gefunden. Mit 15 Jahren wurde ich als Querflötistin für eine kleine Jazzband an unserer Schule angefragt. Ich habe schnell gemerkt, dass es mit der Querflöte bestimmte Limits gibt. In der Bigband kommt Querflöte nur teilweise vor. Im Fernsehen habe ich eine Dokumentationsreihe von Ken Burns über die Jazzgeschichte gesehen und so zum ersten Mal Jazzgrößen wie Louis Armstrong, Charlie Parker oder Lester Young gehört. Ich habe gesehen, was alles mit dem Saxophon möglich ist. Für mich hat das Saxophon so etwas Erdiges, Menschliches an sich, dagegen kann die Querflöte himmlisch und süß klingen.

Saxophon haben Sie dann sicher schnell gelernt.

Ja, ich habe zwei Monate lang jeden Tag rund fünf Stunden geübt und dann nach einem Vorspiel direkt einen Platz im Landesjugendjazzorchester Niedersachsen bekommen. Damit hätte ich auch nicht gerechnet.

Wann war der Punkt, an dem Sie gesagt haben: Ja, ich mache das jetzt auch professionell?

Schon seit ich Musik mache wusste ich, dass ich Musikerin werden wollte. Später habe ich gemerkt, dass ich mich mit dem Jazz am wohlsten fühle. Die klassische Musik mit Querflöte war für mich oft eine Zitterpartie. Das ist ein hartes Umfeld mit Wettbewerben und Kritik. Unter Jazzmusikern ist die Atmosphäre deutlich entspannter.

Haben Sie als Berufsmusikerin nicht auch Tage, an denen Sie aufwachen und denken: heute will ich aber nicht spielen?

Viele denken von Berufsmusikern, dass sie den ganzen Tag nur Musik machen. Aber so ist das eher weniger. Ich freue mich immer noch jedes Mal, wenn ich die Chance habe, Musik zu machen. Man muss sich auch viel um andere Dinge kümmern, Zugtickets kaufen, Termine koordinieren, mit Veranstaltern kommunizieren, E-Mails schreiben, Unterrichten, Workshops vorbereiten, Interviews geben, Stücke komponieren und drucken etc. Teilweise unterstützt mich meine Bookerin dabei. Außerdem verbringt man viel Zeit im Zug. Wenn man einen normalen Beruf hat, geht man jeden Tag zur Arbeit und fertig. Bei Musikern finden Konzerte meistens in anderen Städten statt, zu anderen Zeiten, es ist also alles jedes Mal komplett neu. Wenn ich ein Konzert spiele, denke ich: „Juhu, jetzt hat sich die Arbeit gelohnt und ich darf spielen.“

Sie sind bekannt für wilde Improvisationen, für präparierte oder ungewöhnliche Instrumente. Was inspiriert Sie?

Mich inspiriert der US-amerikanische Komponist Harry Partch, der all seine Musikinstrumente selber baute. Oder auch eine meiner absoluten Lieblings-CDs „In An Autumn Garden“ von dem japanischen Künstler Toru Takemitsu. Diese Musik geht über die für uns bekannten Klangfarben hinaus. Ich habe mir überlegt, wie ich das für unser Jazzquartett umsetzen könnte, und bin dann auf die Idee gekommen, Instrumente entsprechend zu präparieren. Ich lege Gegenstände in den Flügel. Beim Stück „Drunken Books“, das klingt auch im Titel an, liegen Papierseiten und Bücher im Inneren des Flügels. Das klingt dann etwas wie ein Barpiano oder ein Honky Tonk Piano. Mit Metall arbeite ich bei „Luggage“ und „Plop“, mit einem Hundenapf im Flügel, so scheppern die Töne bei jedem Anschlag. In „Dying Swan Under The Bamboo Moon“ spiele ich nur auf dem Mundstück. Ich experimentiere gerne mit Klängen wie Maler mit Farben.

Sie unterstützen den 49. Internationalen Jugendwettbewerb „jugend creativ“ zum Thema „Musik bewegt“. Welche Rolle spielen für Sie als Musikerin andere künstlerische Disziplinen wie das Malen, Zeichnen, Filmen und Fotografieren?

Ich finde vor allem den Film spannend, weil hier alle Künste miteinander vereint werden können. Jede Kunstform drückt eine künstlerische Idee aus, die hinter der Arbeit steht. Diese kann man auch in Musik transformieren. Manchmal passiert das ganz unbewusst, ich sehe etwas in einem Film und mache mir Gedanken dazu, habe vielleicht auch Gefühle dabei, die mich später unbewusst beeinflussen. Ich habe begonnen, Zeichentrickfilme für Musik zu machen, aber bisher rein privat.

Auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wettbewerbs warten zahlreiche Preise auf Orts-, Landes- und Bundesebene und sogar auf internationaler Ebene. Sie haben selbst zahlreiche Musikpreise gewonnen, unter anderem den Jazzspatz, den Praetorius Musikpreis, den ECHO JAZZ 2017 sowie das Ebel-Stipendium und ein Stipendium für die New York Collective School. Zudem waren Sie mehrfach Preisträgerin bei „Jugend jazzt“. Welche Türen haben Ihnen diese Preise geöffnet?

Im Endeffekt haben mir all diese Preise geholfen. Das Kurzstipendium in New York hat es mir ermöglicht, die dortige Jazzkultur kennenzulernen, das Live Music Now Stipendium, das Ebel-Stipendium der IB.SH Jazzaward und der Dr. Langner Jazz Master haben mir finanziell sehr geholfen, so dass es mir zum Beispiel möglich war, meine CD-Produktion zu finanzieren.

Was können Sie jungen Nachwuchskünstlern und -künstlerinnen raten?

Ich glaube, die wichtigste Voraussetzung ist Interesse. Wenn ihr wirklich leidenschaftlich und emotional an Musik beteiligt seid, ist das die beste und schnellste Art etwas zu lernen. Ich glaube nicht so sehr an Talent. Wenn man seinem Interesse folgt, kriegt man automatisch die Ratschläge, die man braucht. Jede(r) weiß selbst am besten, wo er/sie hin will und welcher Weg dorthin führen könnte. Und wie immer gilt natürlich: Übung macht den Meister.

Anna-Lena Schnabel (29 Jahre) ist Jazz-Saxophonistin, Querflötistin und Komponistin. Sie lebt in Osnabrück.

Autorin: Lisa Pausch