Für viele Menschen ist das Meer ein Sehnsuchtsort. Für Hannes Koch und Benjamin Schaschek ist es noch mehr als das. Die Freunde haben ihrer Sehnsucht nachgegeben und 25.000 Seemeilen besegelt. In vier Jahren steuerten sie 31 Länder rund um den Globus an. Dabei haben sie 225 Musiker getroffen und einen Traum verfolgt: Diese einmalige Erfahrung in einem Musik-Album festzuhalten. „Sailing Conductors“, auf Deutsch so viel wie „segelnde Dirigenten“, heißt das Segel-Projekt.
Wie alles begann
Hannes ist in Rostock aufgewachsen, wo er in seiner Jugendzeit sogar ein Mal am Internationalen Jugendwettbewerb „jugend creativ“ teilgenommen hat. Benjamin kommt aus Bonn. Kennengelernt haben sich die beiden während ihres Studiums in Berlin, im Fach Tontechnik. „Eigentlich wollte Benni Cello studieren, hat aber die Aufnahmeprüfung nicht geschafft. Ich hätte entweder Maschinenbau in Rostock studieren können – oder eben doch das coolere Fach, nämlich Tontechnik.“ Und so, erzählt Hannes, habe der Zufall beide zusammengeführt.
Ein Zufall war es auch, der 2011 für das Ereignis gesorgt hat, das ihr Leben auf den Kopf stellen sollte. Während Hannes in Berlin sein Studium zu Ende brachte und auf den Start seiner Karriere als Musikproduzent wartete, hatte Benjamin sein letztes Studienjahr in Australien verbracht. „Und dann lässt er einfach sein Rückflugticket verfallen“, erinnert sich Hannes. Da fragte Benjamin Hannes, ob er sich nicht vorstellen könne, von Australien zurück in die Heimat zu segeln. Hannes war einverstanden und reiste nach Australien.
Aber woher ein Schiff nehmen?
Als erstes musste ein Boot her: Eine große Auswahl hatten die beiden bei ihrem Budget nicht. Benjamin hatte von seinem Großvater rund 15.000 Euro geerbt – davon gingen 11.000 Euro für ein 30 Jahre altes Segelboot mit Motor drauf. Sie tauften es „Marianne“. Während Benjamin etwas Segelerfahrung vom Familienurlaub im niederländischen Ijsselmeer mitbrachte, war es für Hannes sprichwörtlich ein Sprung ins kalte Wasser, reines „learning by doing“. Mit viel Geduld und Übung wurden die beiden nach und nach zu passablen Seglern.
500 Euro jeden Monat für alles
Ohne die Unterstützung ihrer Familie wären die beiden dabei ziemlich aufgeschmissen gewesen. Hannes erzählt: „Wir hatten etwa 500 Euro jeden Monat für alles. Das war eine ziemlich neue Erfahrung. Heute wundere ich mich manchmal, wie wir das geschafft haben.“ Kulinarische Höhenflüge gab es nur selten, häufig einfach Reis und Konservengemüse. „Als Student ist man sowas ja gewohnt“, sagt Hannes. Von dem Geld mussten sie nicht nur ihren Proviant bezahlen, sondern auch das kostbare Trinkwasser. Manchmal hatten sie das so knapp kalkuliert, dass sie in den nächsten Hafen nur noch mit einem halben Liter in der Flasche eingefahren sind. „Da hätten wir vielleicht großzügiger sein können“, sagt Hannes.
Millionen Eindrücke
Für die Entbehrungen entschädigte sie ihre spektakuläre Route und die Menschen, die sie dabei getroffen haben. Gestartet sind sie Ende März 2011. Von den Salomonen, eine Inselgruppe im Südpazifik, ging es Richtung Neuguinea, weiter nach Indien, dann vorbei an Südafrika, weiter Richtung Brasilien, Kuba, USA und Kanada, bis sie am Ende, im Oktober 2015, in Deutschland ankamen – mit ihnen jede Menge Songs, die auf ihren Landgängen entstanden sind.
Die Passagen dazwischen, auf hoher See, waren nicht immer einfach. „Wie gesagt: Unser Boot war nicht das jüngste. Die Selbststeuerungsanlage war kaputt, wir mussten alles immer selber in die Hand nehmen“, erzählt Hannes. Bei stürmischer See oder komplizierten Meerengen kann das ganz schön heikel werden. Das führte zwangsläufig auch mal zu Spannungen zwischen den beiden, die aber nie lange anhielten.
Hymnen fürs Schiff
Was aus der aufgenommenen Musik herausgekommen ist, klingt als hätte die Band „Mumford & Sons“ einen Abstecher nach Indien, Jamaika und Trinidad und Tobago unternommen. 14 „Songs for Marianne“, also in gewisser Weise Hymnen für ihr Boot, sind es geworden. 225 Musiker haben ihnen geholfen. Ihre Ausstattung – Gitarren, Cello, Laptop, Mikros – hatten sie in einer wasserfesten Kiste an Bord. „Und jede Menge Glück, dass der Laptop nie über Bord gegangen ist“, gibt Hannes zu.
Nach drei Wochen auf See folgten immer drei Wochen Landgang. Eine der ersten Frage an Land sei immer gewesen: Was macht ihr hier? „Und wenn wir dann sagten, wir wollen Musik aufnehmen, kam immer schnell eins zum anderen.“ Wie etwa bei Vicky in Brasilien: Über fünf Ecken und Verbindungen zu einer Freundin einer Freundin von Benjamins Schwester trafen sie die brasilianische Sängerin in Rio de Janeiro und nahmen einen Song mit ihr auf.
Und was war das Schönste?
Ihre Reise haben die beiden nicht nur als Album, sondern auch auf Video festgehalten. Zum einen, weil sie schon während ihres Trips Episoden als Serie auf bei einem Fernsehsender veröffentlichten. Zum anderen, weil die beiden einen Film über ihre einmalige Reise, die Musik und das Projekt produzieren wollten. Am 21. Mai 2019 kommt „Blown Away“ nun in die Kinos. „Wir haben also quasi ‚aus Versehen‘ einen kompletten Kinofilm zum Thema des Internationalen Jugendwettbewerbs ‚Musik bewegt‘ gemacht“, scherzt Hannes.
Pläne für danach?
Ein großer Traum sei es nun, nochmal alle Musiker für eine Deutschlandtour zusammen zu trommeln. „Das wäre echt einmalig“. Und danach? Dann könne man mal darüber nachdenken, die skandinavischen Länder musikalisch zu vereinen – wieder mit einem Segeltörn.