Seit 49 Jahren findet der Internationale Jugendwettbewerb „jugend creativ“ statt. Ungefähr genauso lange ist Franz Freisleder als Mitglied der Landesjury in Bayern schon dabei. Wie er dazu kam, in der Jury für diesen bekannten Kreativwettbewerb zu sitzen, was seine Aufgaben sind und was seine einprägsamsten Erlebnisse waren, hat er uns erzählt.
Das Motto des 49. Internationalen Jugendwettbewerbs „jugend creativ“ lautet „Musik bewegt“. Was ist Ihre „Geschichte“ mit der Musik?
Mit sechs Jahren habe ich angefangen, Ziehharmonika zu spielen und man kann sagen: Das war der Eintritt der Musik in mein Leben. Noch heute ist Musik sehr wichtig für mich. Ich erlebe Musik wie Malerei. Wenn ich Musik höre, sehe ich farbige Bilder. Diese unterscheiden sich sehr voneinander. So sieht die Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss zum Beispiel ganz anders aus als Mozarts „Hochzeit des Figaro“, die sich ganz und gar von der Oper „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss unterscheidet. Besonders gerne höre ich Mozart. Seine Stücke sind seit Jahren meine Nummer eins.
Wie kamen Sie zum Internationalen Jugendwettbewerb „jugend creativ“?
Es muss Anfang oder Mitte der 70er Jahre gewesen sein. Da sind Organisatoren des Wettbewerbs auf mich aufmerksam geworden. Vielleicht durch Artikel von mir in der „Süddeutschen Zeitung“ oder durch eines meiner Bücher. Oder aber es war meine Position als Lokalchef der „Süddeutschen Zeitung“ in München, die ausschlaggebend war. Ich weiß nicht genau, wie ich Teil der Jury wurde, aber es ist mir auch nicht wichtig. Ich sage immer: Kritiker wird man, indem man es wird. Dieses Sprichwort gilt auch für meinen Weg in die Jury von „jugend creativ“.
Welche Eigenschaften zeichnen Sie als Jurymitglied aus?
Ich würde sagen, besonders nützlich ist vor allem, dass ich, so wie viele Journalisten, von allem ein bisschen weiß und dazu ein großes Interesse an allem Möglichen habe. Der Johann Nestroy spricht da in seinem „Talisman“ von einer Art „Mille-fleurs-Bildung“, wenn er seinen Titus Feuerfuchs, nach dessen Bildung gefragt, sagen lässt: „Ich besitze einen Anflug von Geographie, einen Schimmer von Geschichte, eine Ahndung von Philosophie, einen Schein von Jurisprudenz, einen Anstrich von Chirurgie und einen Vorgeschmack von Medizin.“ Passt doch – oder?
Was macht Ihnen an der Jurytätigkeit besonders Spaß?
Zu beobachten, wie sich die jungen Menschen und ihre Zeichenfantasie über die Jahre verändern, ist der Teil des Wettbewerbs, der mir besonderen Spaß bereitet. Das Thema Musik war bereits drei Mal in irgendeiner Art Thema unseres Wettbewerbs: 1979, 1988 und dieses Jahr mit „Musik bewegt“. In dem wie und was die Jugendlichen kreieren, lassen sich trotzdem über die Jahre viele Unterschiede erkennen. Diese Entwicklung mitzuerleben, genieße ich sehr. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass beim ersten Mal, als das Thema Musik war, der Musiker Bob Dylan der Star schlechthin gewesen ist. Diesmal hat ihn niemand mehr gezeichnet, wahrscheinlich kennt ihn heute kaum ein Kind.
Warum ist der Wettbewerb bereichernd für die Jugendlichen?
In unserer heutigen Zeit üben die Jugendlichen hier noch eine Tätigkeit aus, die sehr ursprünglich ist. Zum einen in der Art und Weise wie sie sie ausüben, nämlich mit ihren Händen und diversen Hilfsmitteln. Zum anderen in der Rückführung auf das Kindliche in den Jugendlichen, indem sie kreativ und fantasievoll arbeiten.
Haben sie Tipps für junge, kreative Menschen?
Ja, definitiv. Der erste ist die eigene Fantasie aktiv zu kultivieren. Als zweites kann ich Jugendlichen, die kreativ arbeiten möchten, raten, sich nicht auf Eingebungen zu verlassen. Man muss hart arbeiten, um erfolgreich zu sein. Die beste Hilfe bei der Ideenfindung ist Zeitdruck.
Warum finden Sie den Jugendwettbewerb unterstützenswert?
Das Besondere bei „jugend creativ“ ist, dass wir nicht nur Wert auf die Perfektion des Beitrags legen. Die Jury besteht natürlich unter anderem aus Kunstschaffenden und Kunstpädagogen, die darauf besonders achten. Aber dadurch, dass auch viele andere angesehene Kulturschaffende aus anderen Disziplinen Teil der Jury sind, kommen auch Fantasie und Originalität in der Bewertung nicht zu kurz. Zusätzlich wird aufgrund dieser Diversität der Jury keine Linie „durchgedrückt“, sondern der Wettbewerb ist frische Animation für junge Menschen, sich aus ihrem Lebensgefühl heraus in der Malerei zu äußern. Die Jury darf auch so unterschiedlich sein, weil wir hier der Meinung sind, dass man kein Koch sein muss um zu schmecken, ob die Suppe versalzen ist. Und diese Grundeinstellung hat sich seit Beginn des Wettbewerbs nicht verändert. Im Allgemeinen sind der Wettbewerb und das, worauf die Jury bei ihrer Bewertung achtet, seit fast 50 Jahren unverändert geblieben.
Was war in all den Jahren ein besonderes Erlebnis, an das Sie sich gerne erinnern?
Definitiv die jährlichen Ausstellungen der preisgekrönten Bilder in München. Ganz zu Beginn des Wettbewerbs war diese noch im Ehrensaal des Deutschen Museums, später dann im Völkerkundemuseum. Aber egal wo sie stattfanden, diese Ausstellungen waren immer etwas sehr Besonderes, an das ich mich gerne zurückerinnere. Oft war auch Prominenz anwesend, wie 1988 zum Beispiel der Dirigent Enoch zu Guttenberg, der Forscher Heinrich Harrer, der Schauspieler Gustl Bayrhammer, die Schriftstellerin Astrid Lindgren und der Moderator Thomas Gottschalk.
Franz Freisleder war Journalist für die Süddeutsche Zeitung und ist ein bekannter bayrischer Schriftsteller. Früher schrieb er unter anderem Kommentare, zum Beispiel zu politischen Themen. Er ist außerdem bekannt für seine Mundart-Texte, mit denen er den Menschen „aufs Maul und ins Herz schaute“, wie er es selbst beschreibt. Seit über 40 Jahren unterstützt er die bayerische Landesjury von „jugend creativ“.